Nur wenige Schweizer Firmen sind in der von Russland überfallenen Ukraine noch tätig – meist im notdürftigen Wiederaufbau von zerstörter Infrastruktur. Eine davon ist die Weidmann Holding aus Rapperswil SG. Verwaltungsratspräsidentin Franziska Tschudi Sauber schildert im Interview, was es heisst, unter Kriegsumständen zu arbeiten.
SRF News: Wann waren Sie zuletzt in Ihrem Werk in der Ukraine?
Franziska Tschudi Sauber: Kurz vor der Corona-Pandemie. Diese wurde praktisch direkt vom Angriff Russlands auf die Ukraine abgelöst. Deshalb war ich seit damals nicht mehr in unserem Werk bei Kiew. Wir stellen dort Isolationsmaterial für Transformatoren her.
Wie geht es dem Werk und den Angestellten heute?
Dem Werk geht es gut, die Auftragsbücher sind voll. Grundsätzlich braucht es mehr Transformatoren wegen der Energiewende – und damit auch mehr von unserem Isolationsmaterial und dem entsprechenden Know-how. Die Leute in er Ukraine dagegen leiden stark unter der Kriegssituation.
Die Leute versuchen zu leben – unter permanenter Bedrohung ihrer Sicherheit. Und das ständig völlig übermüdet.
Fast jede Nacht gibt es Luft- oder Bombenalarm, worauf sich die Menschen in die sicheren Keller begeben – der Schlaf bleibt so oft auf der Strecke. Die Leute sind also ständig übermüdet. Der Geschäftsführer in der Ukraine sagte mir erst heute Morgen: «Es ist, wie wenn wir sehr krank wären. Wir wissen nicht, was mit uns passiert, möchten aber gerne weiterleben.» Die Leute versuchen zu leben – unter permanenter Bedrohung ihrer Sicherheit. Und das ständig völlig übermüdet, und deshalb auch apathisch.
Wieso fahren Sie nicht nach Kiew, um das Werk zu besuchen?
Ich würde gerne hinfahren. Aber die dortigen Kollegen finden das eine schlechte Idee. Sie befürchten, dass mir etwas passieren könnte. Ich will ihnen diese Zusatzbelastung deshalb nicht aufbürden. Grundsätzlich wäre es aber möglich, mit dem Zug über Polen nach Kiew zu fahren. Möglich wäre auch eine Reise mit dem Auto über Polen oder Rumänien. Das wäre dann allerdings eine sehr lange Autoreise.
Es ist ganz wichtig, dass wir zu unseren Leuten in der Ukraine stehen.
Haben Sie auch überlegt, das Werk in der Ukraine wegen des Kriegs zu schliessen?
Nein, das war nie ein Thema. Es gibt wirtschaftliche Gründe, wieso wir mit dem Werk dort sind. Auch haben wir viel Geld in den Maschinenpark und in die Produktionslinien investiert. Zudem haben wir dort sehr gute Leute. Entsprechend wichtig ist das Werk für die ganze Weidmann Holding.
Geht es auch darum, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Ukraine nicht im Stich zu lassen?
Darum geht es selbstverständlich ebenfalls – jetzt erst recht, in dieser schwierigen Zeit. Es ist ganz wichtig, dass wir zu unseren Leuten in der Ukraine stehen.
Das Gespräch führte Vera Deragisch.