Eine Erhebung von 2021 zu den grössten Schweizer Kanzleien zeigt: Karriere machen vor allem Männer. Bei den Einsteigenden liegt die Frauenquote im Schnitt bei rund 50 Prozent, auf Partnerstufe sind es aber nur noch 15 Prozent. Noch weiter oben, bei den sogenannten Managing Partnern, gibt es in der Schweiz bislang kaum Frauen.
Frauen müssen sich mehr beweisen
Simone Nadelhofer hat es geschafft, sie ist Partnerin bei Lalive, einer international tätigen Anwaltskanzlei mit Sitz in Genf, Zürich und London. Für Frauen sei es oft schwieriger, sagt sie. «Es wird – vielleicht auch unbewusst – davon ausgegangen, dass Frauen weniger ambitiös sind», sagt Nadelhofer. Für junge Frauen fehlten zudem Vorbilder, der Aufstieg sei deshalb harziger.
Juristinnen erzählen, dieses Ungleichgewicht in Anwaltskanzleien sei spürbar im Arbeitsalltag. Für Johanna Keller mit ein Grund, ihre ehemalige Kanzlei zu verlassen. «Man fühlt sich unter Druck, weil alle Chefs Männer sind. Ich habe mich mehr beweisen, mich mehr anstrengen müssen, um gesehen zu werden», sagt Keller. Heute arbeitet Keller als Rechtsanwältin beim Bauunternehmen Kibag.
Viele Frauen verlassen wie Keller die grossen Kanzleien, um «in House» zu arbeiten: «Sie wechseln zu Rechtsabteilungen von Unternehmen, Banken und Versicherungen oder auch in die Verwaltungen», sagt Dario Ramon Buschor, unabhängiger Kanzleiberater. In vielen Kanzleien wachse aber das Bewusstsein, dass sie zu viele weibliche Talente ziehen lassen. «Wir können es uns nicht leisten, auf einen Teil der gut qualifizierten Leute zu verzichten», sagt Lalive-Partnerin Nadelhofer.
Mit Frauen über Beförderungsmöglichkeiten reden
Und zudem komme von Kundinnen und Kunden zunehmend Druck, dass auch bei Kanzleien in gemischten Teams gearbeitet wird. Als Arbeitgeber sollten die Anwaltsbüros deshalb flexible Arbeitszeiten und Teilzeit ermöglichen. Denn noch immer treten vor allem Frauen sofort kürzer, sobald Kinder da sind – in einem Alter, in dem sie für eine Karriere in der Kanzlei Vollgas geben müssten.
«Wir müssen auch mit Frauen über Beförderungsmöglichkeiten reden, und alle Hierarchiestufen für das Thema Gleichberechtigung sensibilisieren», sagt Nadelhofer. Ein Umdenken, dass sich lohnen könnte. Studien zeigen nämlich, dass gemischte Teams erfolgreicher sind.