Viele von uns haben wegen Corona eine neue Arbeitsrealität erlebt. Rund die Hälfte der Arbeitnehmenden blieb während mehrerer Wochen zuhause, arbeitete im Homeoffice. Eine gänzlich neue Erfahrung, via Laptop mit seinen Arbeitskolleginnen und Kollegen verbunden zu sein, Kunden von zuhause aus zu betreuen.
Der Arbeitnehmerverband Travailsuisse wollte nun in Zusammenarbeit mit der Berner Fachhochschule (BFH) in einer Umfrage wissen, was Homeoffice für die Arbeitnehmenden bedeutet. Ob bei der Beurteilung die Vor- oder die Nachteile überwiegen, hängt demnach vor allem davon ab, ob die Betroffenen freiwillig zuhause arbeiten können oder dazu gezwungen werden.
Wer freiwillig zuhause arbeiten kann, der schätzt vor allem die Ruhe im Homeoffice. Wer gezwungen ist, zuhause zu arbeiten, der beklagt, dass er ständig erreichbar sein müsse, auch abends und an Wochenenden. «Das spricht ganz klar dafür, dass man die Hoheit über den Entscheid, Homeoffice zu leisten oder nicht, beim Arbeitnehmer ansiedelt», sagt Gabriel Fischer, der bei Travailsuisse für die Wirtschaftspolitik zuständig ist.
Soziale Vereinsamung droht
Eine weitere Erkenntnis der repräsentativen Umfrage bei gut 1500 Leuten quer durch alle Branchen: Wer ausschliesslich zuhause arbeiten muss und nicht auch ab und zu ins Büro gehen darf, der ist unzufriedener. Fischer fordert deshalb, dass man die Arbeitnehmenden vor der sozialen Vereinsamung schützt: «Man muss das Homeoffice begrenzen.»
Rund 70 Prozent der Befragten fehlen die Gespräche mit Arbeitskolleginnen und -kollegen. Ein weiteres Problem: die Familienpflichten. Knapp die Hälfte der Arbeitnehmenden musste während des Lockdowns mehr Betreuungsarbeiten übernehmen – vor allem betroffen waren Frauen.
Beschränkung der «Familienarbeitszeit»?
Zwar gab es Unternehmen, die ihren Angestellten entgegenkamen und sie entlasteten, etwa im Finanz- und Versicherungswesen und der öffentlichen Verwaltung. Aber das war die Ausnahme. Für Fischer ist klar: Die Arbeitgeber müssten mehr tun. «Personen im Homeoffice mit Familienpflichten, deren gemeinsames Arbeitspensum 100 Prozent übersteigt, müssten entlastet werden.» Die «Familienarbeitszeit» müsste für Fischer auf 100 Prozent beschränkt werden und der Rest über den Erwerbsersatz geregelt werden.
Mehr Zeit für die Kinderbetreuung, die wie etwa der Mutterschaftsurlaub über die Erwerbsersatzordnung (EO) finanziert würde? Der Arbeitgeberverband will das nicht. Direktor Roland Müller findet nicht, «dass es Aufgabe der EO ist, Erwerbsersatzleistungen auszurichten, um gewissermassen Kinderbetreuungsaufgaben übernehmen zu können».
Müller räumt aber ein, dass die Lage für manche Familie schwierig war: «Wir hatten in der Corona-Zeit eine besondere Situation. In der Tat bestanden Probleme mit Blick auf die Kinderbetreuung, weil Schulen und Kitas geschlossen waren.»
Doch das sollte nicht der Normalzustand sein. Arbeitgeberdirektor Müller plädiert deshalb für den Ausbau von Tagesschulen. Damit könnten Arbeit und Familie besser unter einen Hut gebracht werden. Unabhängig davon, ob das Homeoffice nun einen Aufschwung erlebt oder ob die meisten Leute auch künftig im richtigen Büro arbeiten.
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