Wir können uns mit unserem Geld immer weniger kaufen – wegen der Teuerung. Laut offiziellen Angaben lag sie im Oktober bei drei Prozent. Eine Zahl, die für die ganze Schweiz gilt. Die Menschen sind allerdings sehr unterschiedlich von der Teuerung betroffen. Und sie tendieren dazu, die Geldentwertung zu überschätzen.
Fachleute sprechen oft von der «gefühlten» Teuerung. Alexander Rathke ist bei der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich für Inflationsthemen zuständig. Mit Verweis auf zahlreiche Studien sagt er: «Wenn man die Leute fragt, wie hoch die Teuerung ist, ist sie im Durchschnitt immer höher als die tatsächlich ausgewiesene Zahl.»
Verzerrte Wahrnehmung
Wie stark jemand die Teuerung spürt, hängt natürlich vom eigenen Lebensstil ab. Wer viel Auto fährt und eine Ölheizung im Keller hat, leidet momentan stärker unter den Preissteigerungen als eine Person, die mit dem Zug zur Arbeit fährt und Solarpanels auf dem Dach hat.
Zudem schlägt uns unsere Wahrnehmung regelmässig ein Schnippchen, wie Rathke erklärt: «Leute tendieren dazu, dass sie Preissteigerungen eher wahrnehmen, als wenn ein Preis unverändert bleibt oder gar sinkt.»
Und wenn zum Beispiel das neue Mobiltelefon mehr kann als das alte, aber gleich viel kostet, blenden wir diesen Qualitätsgewinn ebenfalls oft aus.
Miete versus Gipfeli
Sogar bei grossen Budgetposten sind wir manchmal auf einem Auge blind. Das passiert vor allem bei Dingen, die automatisch abgebucht werden, wie der ETH-Ökonom sagt: «Wenn zum Beispiel die Miete automatisch abgebucht wird und unverändert bleibt, nehme ich nicht wahr, dass dort keine Preissteigerung stattgefunden hat.»
Wenn hingegen das tägliche Gipfeli auf dem Weg ins Büro um 5 Rappen aufschlägt, springt uns das ins Auge und bleibt uns im Gedächtnis haften.
Das alles erklärt, warum die Leute in Umfragen die Teuerung in der Regel überschätzen. Aus diesen Beobachtungen sei längst ein Forschungszweig entstanden, erklärt Alexander Rathke: «Der Euro wurde bei der Einführung als ‹Teuro› empfunden. Da hat man versucht, den Unterschied zwischen der wahrgenommenen und der tatsächlichen Teuerung zu messen.» Und noch immer beschäftigt sich die Forschung mit der «gefühlten» Teuerung.
Das mit dem Gefühl bei uns Konsumentinnen und Konsumenten ist also so eine Sache.