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Krise bei Auto- und Techfirmen Deutscher Wirtschaftsmotor stottert – die Folgen für die Schweiz

Was ist passiert? Europas Wirtschaftsmotor stottert: Unser Nachbar Deutschland befindet sich aktuell in einer Rezession, um 0.2 Prozent werde die deutsche Wirtschaft schrumpfen, musste Wirtschaftsminister Robert Habeck Anfang Oktober in Berlin verkünden – zweifelsohne ein Problem, wie jüngst eine deutsche Ökonomin gegenüber SRF sagte. Hinzu kommt: Der stolze deutsche Automobilkonzern Volkswagen verschärfte im September seinen Sparkurs. Erstmals in der Firmengeschichte sollen Werkschliessungen und Entlassungen nicht mehr ausgeschlossen werden. Und letzten Montag folgte dann die Hiobsbotschaft: Mindestens drei Werke müssten die Läden dichtmachen, Zehntausende Arbeitsplätze abgebaut werden. Kann das spurlos an der Schweizer Wirtschaft vorbeigehen?

Ein altes VW-Auto, das auf einer Strasse fährt und reichlich Abgas aus dem Auspuff lässt.
Legende: Der stotternde VW-Motor – ein Sinnbild für die aktuelle Wirtschaftslage unseres grossen, nördlichen Nachbars. Symbolbild/Imago/Norbert Schmidt

Welche Folgen hat das für die Schweizer Gesamtwirtschaft? Die Schweiz habe eine sehr stabile Binnenkonjunktur, sagt Heiner Mikosch, Konjunkturforscher der ETH Zürich. Die Inflation hierzulande sinke wieder, die Reallöhne stiegen. «Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die Krise in der deutschen Industrie die Schweizer Gesamtwirtschaft mit in die Rezession zieht», sagt Mikosch. Aber für einzelne Branchen habe es durchaus Auswirkungen.

Welche Branche ist besonders betroffen? Die hiesige Techindustrie. «Wir spüren die wirtschaftliche Schwäche von Deutschland unmittelbar», sagt Jean-Philippe Kohl, Vizedirektor und Leiter Wirtschaftspolitik vom Verband der Schweizer Techindustrie Swissmem. Dort seien im dritten Quartal die Exporte nach Deutschland nach eigenen Berechnungen um knapp neun Prozent zurückgegangen. «Deutschland ist für die Schweizer Techindustrie der mit Abstand wichtigste Einzelmarkt», sagt Kohl.

Über Swissmem

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Swiss mem ist der Verband der Schweizer Techindustrie ( M aschinen-, E lektro und M etallindustrie sowie verwandte Technologiebranchen). Er vertritt die Interessen von rund 1400 Mitgliedfirmen.

Was heisst das für Schweizer Zulieferer, die nach Deutschland exportieren? Schweizer Unternehmen beliefern ausländische Automobilkonzerne. Die Schweiz gelte als «starker Zulieferer», sagt Swissmem-Vizedirektor Kohl. Allerdings seien im dritten Quartal die Exporte für Autozubehör um 15 Prozent zurückgegangen. Er geht davon aus, dass hiesige Unternehmen auch Produkte an den schwächelnden VW-Konzern verkaufen.

Lässt sich die schwächelnde deutsche Wirtschaft durch andere Märkte kompensieren? Nein, sagt Kohl. Die Schweiz habe zwar Zugang zu vielen anderen, gut funktionierenden Märkten wie beispielsweise in den USA oder Indien, aber: «Diese Märkte sind noch nicht so stark entwickelt wie jener in Deutschland», so Kohl, weshalb der Rückgang nicht kompensiert werden könne.

Spürt die Schweizer Bevölkerung unmittelbar etwas davon?

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Weil diejenigen Schweizer Unternehmen von den Exporteinbrüchen betroffen sind, die eher wertschöpfungsarm seien, wirke sich die derzeitige Krise in Deutschland am ehesten auf den Schweizer Arbeitsmarkt aus, sagt Konjunkturforscher Mikosch auf Nachfrage. Den betroffenen Unternehmen könne also Arbeitslosigkeit drohen.

Das heisst: Wenn Auswirkungen der kriselnden deutschen Wirtschaft zu spüren sein werden, dann insofern, dass Arbeitnehmende von Schweizer Automobilzulieferern aufgrund des Exportrückgangs in Deutschland ihre Stelle verlieren könnten.

Kann die Schweizer Wirtschaft etwas dagegen tun? Manche spezialisierten Schweizer Unternehmen, die jetzt unter der kriselnden deutschen Wirtschaft leiden, sind abhängig von Deutschland. Denn ihre spezifischen Produkte finden so rasch keine neuen Abnehmer. Das habe man aber nicht verhindern können, sagt Konjunkturforscher Mikosch: «Wir hatten schon immer einen starken Franken. Der einzige Weg, um international mithalten zu können, ist, sich zu spezialisieren.» Sonst würden viele Schweizer Unternehmen, die jetzt unter Druck gerieten, gar nicht mehr existieren. «Man hat sehr spezifische, feine Wertschöpfungsketten, in die man integriert ist. Wenn diese jetzt unter Druck geraten oder kaputtgehen, muss man leider damit leben», schliesst der Konjunkturforscher.

10vor10, 29.10.2024, 21:50 Uhr ; 

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