Die Gefahr eines Handelskriegs zwischen Europa und den USA treibt die EU-Institutionen und Regierungen um. Hintergrund ist Washingtons sogenannter Inflation Reduction Act. Damit will die Regierung von Joe Biden heimische Unternehmen mit rund 370 Milliarden Dollar subventionieren. In Europa fürchtet man, dass Firmen deswegen abwandern könnten. Ökonom Holger Görg ordnet ein.
SRF: Wie berechtigt sind die europäischen Befürchtungen hinsichtlich des US-Subventionspakets?
Holger Görg: 370 Milliarden US-Dollar hören sich erst mal nach viel an, aber die Summe ist über acht Jahre verteilt. Pro Jahr bleibt da nicht mehr viel übrig.
Die USA haben fundamentale Probleme, ausländische Unternehmen anzulocken.
Was wichtiger ist: Die USA hatten in den letzten Jahren Mühe, ausländische Investoren zu adressieren, trotz einer Steuererleichterung im 2017. Das zeigt, dass die USA fundamentale Probleme haben, ausländische Unternehmen anzulocken. Und daran wird auch dieses Subventionspaket wahrscheinlich erst mal nicht viel ändern.
Welche fundamentalen Probleme haben die USA?
Eine Studie aus St. Gallen argumentiert, dass wachsende Unsicherheiten in den USA Investitionen abschrecken – beispielsweise durch die ehemalige Trumpregierung oder den Handelskrieg mit China. Dazu kommen noch die Pandemie und der Krieg in der Ukraine. Die Erfahrung und wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass Subventionen nicht wirklich den gewünschten Erfolg haben, wenn die fundamentalen Faktoren nicht stimmen. Und die stimmen eben im Moment nicht wirklich in den USA.
Riskiert die USA eine angespannte Beziehung mit Europa?
Nun, ich glaube, das Ganze hat starke innenpolitische Aspekte. Es wird der Bevölkerung gezeigt, dass die Regierung etwas unternimmt, um Jobs nach Amerika zu bringen, Technologie voranzutreiben und Klimaschutz ernstzunehmen. Und dafür scheint die Regierung von Biden offensichtlich bereit, auch durchaus Partner zu verärgern.
Was wäre Ihr Rat an die EU-Staaten?
Auf europäischer Seite sollte man sich nicht dazu verleiten lassen, jetzt Gleiches mit Gleichem zu vergelten und hier einen ähnlichen Subventionsmarathon loszutreten. Das würde für keinen einen wirklichen Erfolg haben. Es ist wichtig, dass geredet wird.
Atmosphärische Störungen in den transatlantischen Beziehungen können wir wirklich nicht gebrauchen.
Das ist bei einem Treffen Anfang Dezember das Ziel. Atmosphärische Störungen in den transatlantischen Beziehungen können wir, ganz besonders im Moment, wirklich nicht gebrauchen. Es ist sehr wichtig, dass wir eben im Lichte der Geschehnisse in der Ukraine als Partner zusammenstehen und an einem Strang ziehen.
Lässt sich denn die Wirtschaftspolitik sauber von der Aussen- und Sicherheitspolitik trennen?
Ich glaube, wir haben in den letzten Jahren gemerkt, dass sich das nicht immer klar trennen lässt, wie wir Ökonomen es eigentlich ganz gerne hätten. Sie sehen es auch in der Entscheidung von vor ein paar Tagen, in der die USA ganz strikt bestimmte chinesische Unternehmen aus dem Land verbannt hat. Und da spielt natürlich die Aussenpolitik mindestens eine genauso grosse Rolle wie die wirtschaftspolitischen Überlegungen.
Das Gespräch führte Christina Scheidegger.