Die regionale Berichterstattung in Bern wird ausgedünnt. Bereits im Herbst wurde bekannt, dass die Lokalredaktionen von Bund und Bernerzeitung aus Spargründen zusammengelegt werden. Heute hat Tamedia nun mitgeteilt, wie dieser Zusammenschluss genau aussieht.
Kritik von Berner Regierung und Stadtpräsident
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Die Berner Kantonsregierung bedauert die Zusammenlegung der beiden Redaktionen. Der damit verbundene Stellenabbau werde zu einer «Verarmung» des Medienplatzes Bern führen, schreibt sie in einer Mitteilung.
Nach der Bildung der Einheitsredaktion würden «Bund» und «Berner Zeitung» nicht mehr im heutigen Umfang über das regionale und lokale Geschehen im Kanton Bern berichten können, glaubt die Berner Regierung.
Es sei zu befürchten, dass dadurch beiden Titeln Leserinnen und Lesern verloren gingen. Die Berner Regierung erwartet, dass der Stellenabbau bei den beiden Zeitungen «einen fairen Sozialplan einschliesst.»
«Ein schwarzer Tag für den Medienplatz Bern»: So kommentiert der Berner Stadtpräsident Alec von Graffenried die Ankündigung von Tamedia. Die beiden Tageszeitungen seien bisher als Leitmedien für die Meinungsbildung in der Hauptstadt der Schweiz von grosser Bedeutung gewesen, schreibt er in einer Mitteilung. Er wirft Tamedia vor, mit dem Abschied vom «Berner Modell» die eigenen wirtschaftlichen Interessen höher gewichtet zu haben als die medienpolitische Verantwortung.
Die Lokalredaktionen werden auf Oktober 2021 zusammengeschlossen. Durch die Fusion der Lokalredaktionen werden insgesamt 20 Vollzeitstellen eingespart, teilt Tamedia heute mit. Fast ein Drittel der Stellen der Lokalredaktion wird also gestrichen. Momentan gibt es auf beiden Redaktionen gut 70 Vollzeitstellen.
Eine Redaktion, zwei Zeitungen
Heute unterscheiden sich Bernerzeitung und Bund faktisch nur noch durch den Lokalteil. Der Bund ist traditionsgemäss urbaner und die Bernerzeitung ist ländlicher ausgerichtet. Diese Unterschiede sollen auch nach dem Zusammenschluss bleiben. «BZ und Bund bleiben zwei Titel mit unterschiedlicher Positionierung», heisst es in der Medienmitteilung von Tamedia.
Einschätzung von SRF-Redaktor Rafael von Matt
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Zwei Zeitungen in der gleichen Stadt aus dem gleichen Medienhaus, aber mit unabhängigen Redaktionen: Das Berner Modell ist ein besonderes Konstrukt. Beobachter fragten sich schon, wie lange es überleben würde. Nun ist klar: Im Oktober ist das Modell Geschichte. Die Empörung darüber ist nachvollziehbar, denn je weniger Medienschaffende den Mächtigen auf die Finger schauen, desto geringer ist die Chance, dass Missstände aufgedeckt werden.
Und die Empörung ist insbesondere nachvollziehbar, weil die TX Group, welche die beiden Zeitungen herausgibt, der grösste private Medienkonzern des Landes ist. Natürlich hat auch die TX Group unter der Coronakrise gelitten. Aber grundsätzlich ist sie profitabel und besitzt verschiedene lukrative Internet-Marktplätze, etwa für Autos oder Häuser.
Der Konzern könnte diese Gewinne für die Finanzierung seiner Zeitungsredaktionen verwenden. Stattdessen müssen die Blätter der TX Group selbst rentieren, Gewinne werden an die Besitzerfamilie und die Aktionäre verteilt. Deshalb der Aufschrei über den Abbau der Meinungsvielfalt. Nun werden einige einwenden, das Wehklagen sei nicht angebracht, weil heute jede und jeder seine Meinung in einem Blog oder auf den Social-Media-Plattformen verbreiten könne. Tatsächlich herrscht im Internet eine grosse Meinungsvielfalt. Doch professionelle Redaktionen leisten eben mehr, als nur Meinungen abzubilden. Sie beobachten Behörden, Politiker und Firmen über längere Zeit. Und sie haben die Ressourcen, kritische Fragen zu stellen und Entscheide zu hinterfragen. Sie bleiben dran.
Denn für das Funktionieren der direkten Demokratie sind die Bürgerinnen und Bürger auf eine fundierte und sachliche Berichterstattung angewiesen. Diese Informationen können nur gut dotierte Redaktionen liefern, die im Wettbewerb zueinander stehen. Jede Redaktion weniger ist ein Verlust – für die Leserinnen und Leser, aber auch für die Staatsbürgerinnen und -bürger.
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