Über 970 kassenpflichtige Medikamenten-Packungen sind aktuell nicht lieferbar. Von Schmerzmitteln über Antibiotika bis zu Psychopharmaka oder Rheumamedikamenten gibt es kaum eine Medikamentengruppe, die nicht betroffen ist.
Diese Medikamente fehlen – Klicken Sie auf die Medikamentengruppen!
Unsere Daten stammen von drugshortage.ch. Hinter der Plattform steht Enea Martinelli, Spitalapotheker und Vorstandsmitglied beim Apothekerverband. Er betreibt diese auf eigene Initiative hin, wobei zahlreiche Hersteller Lieferengpässe freiwillig melden.
Der Bund überwacht auf seiner Liste nur die lebenswichtigen Arzneimittel, stellt aber auch da einen Anstieg fest. Über Martinellis Plattform heisst es vom zuständigen Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL): «Die Webseite gibt eine gute Übersicht zur Lieferbarkeit der Produkte auf Grossisten-Ebene sowie freiwillige Meldungen der Zulassungsinhaber.»
Das sind die 3 grössten «Sorgenkinder»
1. Kindermedikamente
Kinder können schlecht Tabletten schlucken und sind daher auf Sirups oder Zäpfchen mit niedrigerer Dosierung angewiesen. Gefragt und entsprechend knapp sind derzeit Fiebersäfte für Kinder, etwa wegen des hochansteckenden respiratorischen Synzytial-Virus, kurz RSV, das in der Schweiz in diesem Winter grassiert.
2. Chronische Leiden
Problematisch sind Lieferengpässe für Patientinnen und Patienten mit chronischen Leiden. So fehlen derzeit Medikamente gegen Epilepsie oder Rheuma und zahlreiche Psychopharmaka. Zwar gibt es theoretisch Ausweichmöglichkeiten, die Umgewöhnung kostet jedoch Zeit, schlägt nicht immer gleich gut an oder führt zu Nebenwirkungen.
3. Antibiotika
Bei Antibiotika sind die Ausweichmöglichkeiten teils limitiert: Ärztinnen und Ärzte müssen dann auf Antibiotika umstellen, die zu wenig spezifisch sind – was das Problem der Resistenzbildung verschärfen kann.
5 Gründe, warum so viele Medikamente nicht lieferbar sind
Die Gründe für die Engpässe bei Arzneimitteln sind vielfältig. Eine Übersicht, wo es überall klemmt:
Pharmabranche kritisiert Preispolitik
Knappere und teurere Rohstoffe auf der einen Seite – Bemühungen, die Gesundheitskosten und somit auch die Preise für Medikamente zu senken auf der anderen Seite. Die Pharmabranche sieht darin eine Gefahr für die Medikamentenversorgung.
Wenn die Kosten, die Medikamente herzustellen, die Verkaufspreise überstiegen, bestehe die Gefahr, dass die betroffenen Mittel vom Markt verschwinden würden. Könnten andere Hersteller nicht in die Bresche springen, drohten Engpässe, so die Argumentation.
Die Kritik zielt vor allem auf die Preisbildung von Medikamenten, die von der Krankenversicherung vergütet werden. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) überprüft die Preise dieser Arzneimittel alle drei Jahre und kann Preissenkungen anordnen. Denn Medikamente kosten in der Schweiz teilweise massiv mehr als in europäischen Ländern.
Bei Engpässen sei die Versorgung wichtiger als Preissenkungen, fordert die hiesige Pharmabranche und plant eine Volksinitiative, die beispielsweise fordert, Ausland-Preisvergleiche auszusetzen.
Was gegen den Mangel getan wird
Der Bund hat eine Expertengruppe eingesetzt, die Vorschläge erarbeiten soll. Fest steht, dass das Monitoring der Versorgungslage verbessert werden soll – wie, ist noch offen. Es existieren zudem Ideen, dass Kantone und Hersteller Lager ausbauen, oder dass der Bund bei lebenswichtigen Arzneien als Käufer fungiert. Konkrete Umsetzungsvorschläge sollen gemäss BAG im Frühling vorliegen.