Worum geht es? Der Zürcher Gemeinderat hat am Mittwochabend Ja gesagt zur Einführung eines Mindestlohns von 23.90 Franken pro Stunde. Das wäre der schweizweit höchste Mindestlohn. Das Stadtparlament hiess den angepassten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Ein Lohn zum Leben» gut. Das Thema könnte aber noch vors Volk kommen: Die FDP prüft ein Referendum.
Wer würde profitieren? Der Mindestlohn käme rund 17'000 Menschen in Zürich zugute. Denn sie verdienen mit einem Vollzeitpensum weit weniger als 4000 Franken. Laut dem Hilfswerk Caritas sind es zu zwei Dritteln Frauen, viele sind alleinerziehend und in Tieflohnbranchen wie Reinigung und Gastronomie tätig.
Welche Kantone kennen den Mindestlohn? Der Kanton Neuenburg hat 2017 als erster Kanton den Mindestlohn eingeführt. Weitere Kantone sind Jura, Tessin, Genf und Basel-Stadt.
Wo wurde der Mindestlohn abgelehnt? Beispielsweise die Kantone Bern, St. Gallen, Thurgau und Schaffhausen haben zu einem kantonalen Mindestlohn Nein gesagt. Im eidgenössischen Parlament ist ein Vorstoss hängig: Dieser fordert, dass kantonale Mindestlohnregelungen verboten werden.
Wie sieht es in Europa aus? Die EU-Regierungen haben sich im Sommer 2022 auf eine Mindestlohnrichtlinie geeinigt. Der Kompromiss beinhaltet etwa Standards, dass gesetzliche Mindestlöhne festgelegt, aktualisiert und durchgesetzt werden sollen. Davon würden europaweit 24 Millionen Beschäftigte profitieren. In Deutschland beispielsweise wurde der Mindestlohn im Oktober um 15 Prozent auf 12 Euro pro Stunde erhöht.
Schadet oder nützt der Mindestlohn? Früher sei die vorherrschende Meinung unter Ökonomen gewesen, dass der Mindestlohn schade. Begründet wurde dies damit, dass Unternehmen, die den Lohn nicht zahlen können, Angestellte entlassen müssten. Das erklärt SRF-Wirtschaftsredaktor Klaus Bonanomi. Heute betrachte man das differenzierter. Studien zeigen positive Effekte, beispielsweise des Zentrums der Europäischen Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim: Die Wirtschaft sei durch die Mindestbestimmungen produktiver geworden. Und höhere Löhne würden die Kaufkraft steigern, wovon die Wirtschaft profitiere.
Was sagen Gegenstimmen? Laut dem liberalen Thinktank Avenir Suisse sind Mindestlöhne ein zu starker Eingriff in den Arbeitsmarkt. Working Poor – Menschen, die trotz Arbeit nicht genügend verdienen – sollten besser gezielt mit Sozialhilfe unterstützt werden. Das sei effizienter, als flächendeckend Mindestlöhne einzuführen, erläutert Wirtschaftsredaktor Bonanomi die Argumente. Ein neues Argument ist die Inflation: Wenn die Löhne zu stark steigen würden, könnte dies die Inflation befeuern.
Wo herrscht Einigkeit? Einig seien sich die verschiedenen Parteien darin, dass die richtige Höhe des Mindestlohns wichtig sei, so Bonanomi. «Wenn Mindestlöhne nicht schaden, sondern nützen sollen, dann dürfen sie nicht zu hoch, aber auch nicht zu tief angesetzt werden.»