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Neue EU-Verträge Darum ist die Schweizer Wirtschaft gespalten

Die Bilateralen sichern den EU-Marktzugang. Teile der Wirtschaft fürchten Bürokratie und Zuwanderung. Pro und Contra.

Die Ausgangslage: Die Bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU bestehen seit 25 Jahren. Doch ein Ausbau der Verträge ist umstritten. Das sogenannte Rahmenabkommen hat der Bundesrat vor 3.5 Jahren beerdigt. Nun nehmen die Schweiz und die EU einen neuen Anlauf.

Das sind die Befürworter: Aus Sicht des Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse ist die Beziehung zu Europa «eine der wichtigsten politischen Fragen» der nächsten Jahre. Besonders stark für die neuen Verträge engagieren sich exportorientierte Branchen wie die Pharma- oder die Techindustrie.

Das sind die Gegner: Im Komitee von «Autonomiesuisse» und in der Gruppe «Kompass Europa» formieren sich Unternehmer und Wirtschaftspersönlichkeiten aus allen Sektoren, die einem Ausbau der Beziehungen mit der EU kritisch gegenüber stehen.

Die Argumente der Befürworter: Im Zentrum steht für die Pro-Seite der möglichst ungehinderte Zugang zum europäischen Binnenmarkt. Ohne neue Verträge besteht aus Sicht der Befürworter das Risiko, dass Schweizer Firmen gegenüber EU-Staaten Wettbewerbsnachteile erleiden. Als Beispiel werden potenzielle Retorsionsmassnahmen der EU wie zuletzt beim zwischenzeitlich eingeschränkten Zugang zum EU-Forschungsprogramm «Horizon Europe» ins Feld geführt.

Die Argumente der Gegner: Die Contra-Seite befürchtet wegen der neuen Verträge mehr Zuwanderung, mehr Bürokratie wegen der Übernahme von EU-Recht und weniger Selbstbestimmung. Auch die Gegner argumentieren mit der Wettbewerbsfähigkeit. «Autonomiesuisse» zählt Demokratie, Föderalismus und freiheitliche Wirtschaftsordnung als Erfolgsgaranten für den heutigen Zustand der Schweizer Volkswirtschaft auf.

Position eines Gegners: Hans-Jörg Bertschi, Verwaltungsratspräsident Logistikdienstleister Bertschi – «Deutsche Unternehmen klagen heute, dass sie mehr als die Hälfte der Zeit brauchen, um Dokumentationen zu machen für die ganze EU-Gesetzgebung.» Sie hätten keine Zeit mehr für Innovation oder um die Wertschöpfung zu erhöhen. Diese Firmen liebäugeln gemäss Bertschi damit, Deutschland in den nächsten Jahren zu verlassen. «Das will ich in der Schweiz nicht sehen.»

Position eines Befürworters: Michael Grabher, Geschäftsführer Büchsenmaschinen-Hersteller Swiss Can – «Wohlstand können wir nur durch das Ausland erreichen, weil wir sonst einfach zu klein sind.» Der Isolationismus sei in europäischen Ländern oder in Amerika auf dem Vormarsch. Das hat aus Sicht von Grabher keine rationalen Gründe: «Ich kann es mir nur so erklären, dass es ideologische Gründe sind, warum man sich abschotten will.»

So geht es weiter: Am Freitag soll klar werden, wie die neuen EU-Verträge genau aussehen sollen. Im Anschluss ist ein Treffen zwischen Bundespräsidentin Viola Amherd und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geplant. Auf Seite der EU müssen dann noch die Mitgliedstaaten zustimmen. In der Schweiz hat die Stimmbevölkerung das letzte Wort. Eine Abstimmung dürfte erst nach den eidgenössischen Wahlen im Jahr 2027 stattfinden.

10 vor 10, 17.12.2024, 21:50 Uhr

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