Gesucht war ein Chef oder eine Chefin für den grössten Schweizer Technologiekonzern. Das tönt nach einer interessanten Stelle. So wirkt es glaubwürdig, wenn ABB-Verwaltungsratspräsident Peter Voser nun an einer Telefonkonferenz betonte, man habe eine ganze Reihe von Interessenten zur Auswahl gehabt.
Bei genauerem Hinsehen hat der vermeintliche Traumjob aber einen Haken. So war vor allem eine Person gesucht, die den bereits laufenden Konzernumbau, den sich notabene andere ausgedacht haben, noch zu Ende bringen soll. Also: Ausführen statt selber gestalten, so der Auftrag.
Dezentralisierung des Konzerns
ABB will sich künftig auf vier Kerngeschäfte konzentrieren. Die sollen möglichst eigenständig aufgestellt sein, sie sollen mehr Dinge selber entscheiden können als bisher. Das geht zu Lasten des Hauptsitzes. Der wird verkleinert. Kurz: ABB soll künftig dezentral organisiert sein.
Der künftige Konzernchef Björn Rosengren ist offenbar Willens, diese Strategie ab März 2020 zu vollenden. Der 60-jährige Schwede ist momentan Chef der ebenfalls Schwedischen Sandvik. Mit dem Wechsel zu ABB bekommt er die Möglichkeit, künftig ein Unternehmen zu führen, das dreieinhalb Mal mehr Angestellte hat.
Ob ihn zudem ein finanzieller Willkommensgruss zu ABB gelockt hat, ist nicht bekannt. ABB-Präsident und Interimschef Voser meinte dazu einzig, das könne man im nächsten Jahr im Entlöhnungsbericht detailliert nachlesen.
Die Grossaktionäre von ABB reagieren erfreut auf Rosengrens Wahl. Sie trauen ihm zu, dass er ABB wieder auf Kurs bringen kann. Sie loben in ersten Stellungnahmen seinen bisherigen Leistungsausweis: Sie sprechen von «Wertschöpfung», «Leistungssteigerung» und «steigendem Aktienkurs». Das wünschen sie sich auch für ABB.
Generationenwechsel vertagt
Denn der Schweizer Industrieriese hinkt derzeit der Konkurrenz hinterher. Er tut sich schwer damit, Umsatz zu generieren, obwohl ABB ja eigentlich auf zukunftsträchtige Trends setzt – etwa Robotik, Industrie-Automation, oder Elektromobilität. Der laufende Konzernumbau soll Abhilfe schaffen. Ob der schwedische Top-Manager seine bisherigen Erfolge bei ABB wiederholen kann, ist offen.
Rosengren bringt zweifellos viel Erfahrung mit. Seine Ernennung bedeutet aber auch, dass bei ABB ab März mit Rosengren und Voser zwei Männer die Zügel in der Hand halten werden, die beide bereits gut 60 Jahre alt sind. Der Generationenwechsel an der Spitze wurde vertagt. Doch beliebig lange lässt er sich nicht mehr aufschieben.
Die Suche nach neuen ABB-Führungspersonen – sowohl fürs Management als auch fürs Präsidium geht – zumindest mittelfristig – gleich weiter.