Portugal entwickelt sich von einer Feriendestination zu einem attraktiven Wirtschaftsstandort für europäische Unternehmen. Der Boom sei beachtlich, sagt der Journalist Jochen Faget, der in der Hauptstadt Lissabon lebt.
«In Portugal überschlagen sich die Meldungen, dass ausländische Firmen nach Portugal kommen, dass hier Firmen gegründet werden, dass immer weniger Leute arbeitslos sind. Das ist ein Zeichen, dass es durch diese neuen Unternehmen, die in das Land kommen, wirtschaftlich aufwärts geht», so Faget.
Pandemie fördert Wirtschaftsboom
So richtig ins Rollen gekommen sei diese Entwicklung durch die Corona-Pandemie. Die Lieferketten nach Asien sind zeitweise komplett zusammengebrochen und das habe zu einer grossen wirtschaftlichen Unsicherheit geführt. Portugal sei näher und sicherer als Asien.
Auch die schweizerisch-portugiesische Handelskammer sieht die Pandemie als zentralen Grund für den portugiesischen Wirtschaftsboom. Die Basis für den aktuellen Trend habe Portugal aber über viele Jahre gelegt, sagt Jean Moreira, Vorstandsmitglied bei der Handelskammer.
«Portugal bietet in Bezug auf Dienstleistungen und Geografie viele Vorteile. Ein Flug in alle grossen Schweizer Städte dauert nur etwas mehr als zwei Stunden. Auch die Infrastruktur ist gut. Wenn man in Portugal produzierte Güter importieren will, gibt es dafür ein sehr gutes Transportnetzwerk.»
Portugal bietet in Bezug auf Dienstleistungen und Geografie viele Vorteile.
Portugal hat viel investiert, um sich attraktiv zu machen. Neben diesen Bemühungen sei ein wichtiger Grund für den aktuellen Boom aber sehr simpel, sagt Journalist Faget: «Die Portugiesen arbeiten billiger als der Rest Europas.»
Blick ins Ausland wegen Fachkräftemangel
Bei den Schweizer Unternehmen sind zwei Wirtschaftsbereiche beim aktuellen Run auf Portugal ganz vorne mit dabei: IT und Fintech. Zum Beispiel die Post eröffnet diesen Dezember ein neues Zentrum für IT-Entwicklung in Lissabon. Es gebe in der Schweiz schlicht nicht genug IT-Fachleute, sagt die Post.
Portugal als Lösung für den Fachkräftemangel – viele Schweizer Unternehmen hätten das erkannt, sagt die schweizerisch-portugiesische Handelskammer. Das führe zu einer Kettenreaktion, sagt Moreira: «Wo Schweizer hingehen und Erfolg haben, folgen andere Schweizer.» Die Handelskammer geht deshalb davon aus, dass der Trend «Made in Portugal» eine nachhaltige, langfristige Entwicklung ist.
Kritik aus der Bevölkerung
Die portugiesische Regierung freue sich über diese wirtschaftliche Entwicklung. Sie rühre weiter stark an der Werbetrommel und helfe den europäischen Unternehmen mit Steuerbegünstigungen, sagt der Journalist Faget.
Doch es gebe auch viele kritische Stimmen in Portugal: «Wenn Leute, die viel Geld verdienen, nach Portugal kommen, dann steigen die Preise, dann kann man sich die Wohnung nicht mehr leisten.»
Und auch finanziell hätten die meisten Portugiesinnen und Portugiesen bis jetzt nicht vom Boom profitiert: «Im Gegenteil! Im Moment klagen alle, dass das Geld für nichts mehr reiche.» Denn die Preise im Supermarkt und die Wohnungskredite würden steigen, auch wegen der Inflation.
Doch Jochen Faget geht davon aus, dass es irgendwann besser werde. Zumindest bei den Löhnen der portugiesischen Mittelschicht. Denn zu dieser gehören viele der gut ausgebildeten Arbeitskräfte, die das Interesse der europäischen Unternehmen anziehen.