Die Situation bezüglich des Rahmenabkommens mit der EU scheint festgefahren. Beide Seiten werfen sich vor, sich bei den Verhandlungen nicht zu bewegen. Was das für die Schweizer Aussenwirtschaft bedeutet, weiss Jan Atteslander vom Wirtschaftsdachverband Economiesuisse.
SRF News: Die Verhandlungen mit der EU scheinen derzeit völlig festgefahren zu sein. Macht Ihnen das Sorgen?
Jan Atteslander: Nein – wir haben eher den Eindruck, dass die Verhandlungen jetzt in eine entscheidende Phase kommen. Da ist es normal, dass beide Seiten nochmals möglichst hart auftreten.
Fühlen Sie sich vom Bundesrat gut vertreten?
Ja. Wir finden es sehr gut, wie Bundespräsident Guy Parmelin aufgetreten ist. Gerade bei schwierigen Fragen braucht es den direkten Austausch zwischen der Schweiz und der EU. Da ist es wichtig, dass man offen und transparent kommuniziert – auch gegenüber der EU-Kommission.
Sehen Sie denn überhaupt noch Verhandlungsspielraum?
Die Verhandlungen sind nicht transparent, deshalb wissen wir nicht, wo welche Forderungen gestellt werden. Doch die Schweiz war bei solchen Verhandlungen bislang stets sehr konstruktiv und hat auch Vorschläge eingebracht.
Das Interesse der EU ist gross, sich auf die Schweiz zuzubwegen.
Deshalb bin ich sicher, dass sie noch die eine oder andere Karte in der Hand hat. Und: Wir sind der viertwichtigste Wirtschaftspartner der EU. Entsprechend gross ist auch deren Interesse, sich auf die Schweiz zuzubewegen.
Wären Sie bereit, sich etwa bei den flankierenden Massnahmen gegen Lohndumping zu bewegen?
Das Niveau des Schutzes muss sicher beibehalten werden. Wie man das technisch löst, ist aber eine andere Frage. So ist die Schweiz der EU bekanntlich schon entgegengekommen, indem sie bereit ist, die Anmeldefrist von derzeit acht auf vier Tage zu halbieren. Das sollte der EU zeigen, dass wir ernsthaft daran interessiert sind, Lösungen zu finden.
Ist das Scheitern der Verhandlungen eine Option für Economiesuisse?
Solche Verhandlungen können immer scheitern. Doch das Abkommen hat sicher noch eine Chance, auch wenn sie derzeit nicht sehr gross erscheint.
Das Abkommen hat sicher noch eine Chance.
Ob die Chance in den nächsten Wochen und Monaten noch genutzt werden kann, hängt davon ab, ob beide Seiten den noch vorhandenen Spielraum sauber ausloten und ihn auch nutzen.
Etwa die Hälfte aller Exporte aus der Schweiz geht in die EU – wie hart würde ein Scheitern der Verhandlungen die Schweizer Wirtschaft treffen?
Das lässt sich nicht genau sagen. Allerdings gehen wir davon aus, dass manche Branchen durchaus Nachteile hätten.
Ein Scheitern der Verhandlungen hätte sicher Nachteile für den Wirtschaftsstandort Schweiz.
So könnten gewisse Handelsbarrieren zunehmen, weil es zu einer Erosion des heutigen Marktzugangs käme. Sicher ist: Ein Scheitern hätte sicher Nachteile für den Wirtschaftsstandort Schweiz – doch wie gross diese wären, weiss man derzeit nicht.
Was glauben Sie – wie geht es jetzt weiter?
Wir rechnen damit, dass es jetzt nochmals zu einem Verhandlungseffort kommt und beide Seiten bereit sein müssen, aufeinander zuzugehen. Denn sowohl für die EU wie die Schweiz steht viel auf dem Spiel. Und wenn die EU dieses Abkommen wirklich will, wird sie auch Schritte auf die Schweiz zu machen.
Das Gespräch führte Salvador Atasoy.