Es ist nicht so, dass der Logistikkonzern Kühne + Nagel und Afrika sich nicht gut kennen würden – im Gegenteil: «Wir sind seit fast 70 Jahren in Afrika», sagt Lee I'Ons, der für den Kontinent zuständige Manager. Allerdings mache das Afrika-Geschäft im Moment nur einen sehr kleinen Teil des Gesamtgeschäfts aus, sagt der Südafrikaner – ohne Zahlen zu nennen.
Doch das soll sich ändern: Vor allem in Süd- und Westafrika werde das Netzwerk deutlich ausgeweitet, auf dann 18 Länder, darunter auch Schwergewichte wie Südafrika, Kenia und Nigeria. Wie viel der Konzern investiert, sagt I'Ons nicht. Nur das: «Wir wollen bereit sein. Denn im Moment ist viel in Bewegung auf dem Kontinent.»
Die Wirtschaft erhole sich, und auch wenn die aktuelle Häufung von Putschversuchen einen anderen Eindruck vermittelt: Viele Länder seien politisch stabiler als vorher. Beides dürfte in den nächsten Jahren viele Firmen anlocken, erwartet I'Ons – und dem Logistikkonzern viele neue Kunden bescheren.
Gute Prognosen
Mit seinem Optimismus steht l'Ons nicht allein da. Auch der Ökonom und Afrika-Kenner Robert Kappel erwartet, dass der afrikanische Kontinent in Zukunft eine wesentlich grössere Rolle spielen wird. «Gegenwärtig hat Subsahara-Afrika nur einen Anteil von drei Prozent am Welthandel. Aber alle Prognosen sagen, dass der Handel extrem ansteigen wird – mit Wachstumsraten von fünf bis acht Prozent.»
Ein Grund dafür sei die neue afrikanische Freihandelszone. Sie ist seit gut einem Jahr in Kraft und soll helfen, die zum Teil exorbitant hohen Zölle und andere Handelshemmnisse zwischen den 54 afrikanischen Staaten abzubauen.
Ein Container, der von Rotterdam nach Westafrika verschifft wird, ist zehnmal so teuer wie ein Container, der nach China verschifft wird.
Auch wegen der hohen Handelshürden macht der intra-afrikanische Handel nur 16 Prozent des Handels Afrikas mit der Welt aus. Wenn diese Hürden wegfielen, hätten Unternehmen plötzlich Zugang zu einem viel grösseren Markt, sagt Manager I'Ons. Doch hohe Zölle sind nicht das einzige Problem. Auch extrem hohe Transportkosten belasten den Handel.
«Ein Container, der von Rotterdam nach Westafrika verschifft wird, ist zehnmal so teuer wie ein Container, der nach China verschifft wird», sagt Kappel. Der Preis sei hoch, weil – verglichen mit dem Rest der Welt – relativ wenig gehandelt werde. Zudem sei das Entladen in afrikanischen Häfen wie Durban besonders teuer – denn die Infrastruktur der Häfen sei schlecht, Schiffe würden oft erst nach Tagen oder Wochen entladen.
Wenn man ehrlich ist, wird das Klima auch in Afrika gerettet.
Das Potenzial sei riesig, betont auch Martin Kalhöfer, Afrika-Experte der deutschen Aussenhandelsförderung GTAI. «Wir allem müssen die Perspektive sehen.» Schon wegen der stark wachsenden Bevölkerung: Bis 2050 dürfte sich die Einwohnerzahl Afrikas auf zweieinhalb Milliarden Menschen verdoppeln.
Das schaffe neue Nachfrage, so Kalhöfer. «Es gibt Branchen, die wir besonders im Fokus haben: die Nahrungsmittelverarbeitung, die Landtechnik, aber vor allen Dingen das Thema Energie. Wenn man ehrlich ist, wird das Klima auch in Afrika gerettet.»
Geduld ist gefragt
Dass der Handel mit und in Afrika grosse Chancen bietet, darin sind sich alle einig. Allerdings auch darin, dass es Geduld braucht, um die Ernte einzufahren. Die politischen Rahmenbedingungen bleiben in vielen Ländern schwierig und der erhoffte Schub durch das Freihandelsabkommen lässt auf sich warten – auch wegen Corona.
Andererseits habe die Pandemie Afrika auch vorangebracht, sagt I'Ons. Innerhalb kürzester Zeit seien neue Transportwege erschlossen worden. Zum Beispiel, um Impfstoffe schnell ans Ziel zu transportieren. Darauf könne man nach der Pandemie aufbauen.