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Rohstoffboom in Skandinavien Der steinige Weg zu neuen Kupferminen

In Nordeuropa ist ein Wettlauf um begehrte Rohstoffe im Gang. Schliesslich soll Europa unabhängiger werden von den mächtigen Rohstoffstaaten wie China. Neue Minen sind allerdings umstritten und der Weg zu Rohstoffen «Made in Europe» lang. Das zeigt die Reportage aus dem Norden von Schweden.

Weit draussen in der schwedischen Wildnis zerteilt David Suter mit ein paar kräftigen Hammerschlägen einen rostfarbigen Stein. «Wir sind am richtigen Ort», sagt der Schweizer Geologe und zeigt auf glitzernde Partikel. Es sind Spuren von Kupfer und Nickel. Genau nach solchen Hinweisen im Gestein hat er gesucht.

In ganz Skandinavien sind viele der begehrten Rohstoffe im Untergrund vorhanden: Kupfer, Lithium, Kobalt oder Seltene Erden. Die grosse Frage ist allerdings, wo in den Weiten des Nordens.

Begehrte Bodenschätze

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Rohstoffe wie Kupfer, Nickel, Kobalt oder Lithium werden heute vielerorts eingesetzt: Es braucht sie für Batterien in Elektroautos, für Windräder, für Flugzeugturbinen, in Elektrogeräten, etc.

In Zukunft dürfte der Bedarf noch deutlich grösser werden, wenn die Wirtschaft von fossiler auf nachhaltige Energie umstellt. Allerdings werden viele dieser Rohstoffe heute nur in wenigen Ländern gefördert oder die Lieferketten sind in den Händen einer kleinen Gruppe von Firmen.

Die EU hat sich deshalb im Frühling 2024 zum Ziel gesetzt, bei den kritischen Rohstoffen unabhängiger zu werden. So sollen das Recycling verbessert und die Lieferketten diversifiziert werden. Dazu gehört auch, dass mehr Rohstoffe in Europa gefördert und verarbeitet werden.

Die Bodenschätze zu finden, ist die Aufgabe des Explorationsteams der schwedischen Bergbaufirma Boliden, zu dem auch David Suter gehört. Geleitet wird das Team vom US-Amerikaner Greg Joslin. «Wir suchen eine Lagerstätte von guter Qualität, die wir als Mine betreiben können.»

So eine Stelle vermuten die beiden Geologen südlich der schwedischen Stadt Skellefteå. Die bisherigen Untersuchungen an diesem Standort deuten auf eine ergiebige Lagerstätte für Kupfer hin. Die Resultate sind jedenfalls so vielversprechend, dass Boliden Testbohrungen durchführt.

Wenn die Resultate der Testbohrungen die gewünschten Resultate liefern, würden mehr Personal und Maschinen eingesetzt, erklärt Joslin. So habe man innerhalb weniger Jahre ein verlässliches Bild des Untergrundes. «Aber meistens dauert es länger und wir müssen nochmals zurück an den Bürotisch und neue Ansätze suchen.»

Der Weg zu einer neuen Mine ist lang. «Die geologischen Untersuchungen, die Testbohrungen, der endgültige Entscheid, eine Mine zu eröffnen, all das dauert Jahre», so der Geologe Greg Joslin. Das heisst, von den ersten Studien bis zur Eröffnung einer neuen Mine dauert es zehn bis 20 Jahre. Bestenfalls.

Boom auf neue Bodenschätze

Boliden ist längst nicht die einzige Firma, die in Skandinavien nach den begehrten Bodenschätzen sucht. Angetrieben von der grossen Nachfrage nach Rohstoffen, suchen aktuell viele Firmen ihr Glück im Norden von Europa und beantragen bei der schwedischen Bergbaubehörde Lizenzen für Felduntersuchungen und Testbohrungen.

Helena Kjellson, die Chefin der Bergbaubehörde mit Sitz in Luleå, beobachtet dabei eine neue Entwicklung: «Wir erhalten viele Gesuche für neue Mineralien, die bisher nicht so im Fokus standen.» Dazu gehören beispielsweise Lithium oder Kobalt. Rohstoffe, die es vor allem für fossilfreie Technologien braucht.

Person mit Brille sitzt vor einem Fenster, im Hintergrund verschwommene Gebäude.
Legende: Helena Kjellson, die Chefin der schwedischen Bergbaubehörde. Diese Institution koordiniert und beaufsichtigt den Bergbau seit 1637 und ist damit die älteste Behörde in Schweden. Aktuell gibt es in Schweden 13 aktive Minen. Zudem verfügen über 166 Minenprojekte über eine rechtskräftige Bewilligung. SRF / Matthias Heim

Allerdings sei die Nachfrage nach Lizenzen für Kupfer immer noch am grössten, betont Kjellson: Fast 600 Gesuche hat die Behörde für die Suche nach Kupfer und andere Metalle bewilligt, 130 umfassen Kobalt und gut 60 Gesuche unter anderem Lithium.

Kupfer lässt den Strom fliessen

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Gestapelte Kupferplatten mit schwarzen Bändern.
Legende: Kupferplatten, wie sie die schwedische Firma Boliden herstellt. ZVG / Boliden

Kupfer wird in Schweden seit Jahrtausenden abgebaut, gilt aber trotzdem als Material der Zukunft.

Kupfer ist ein sehr gut leitendes Metall und kommt deshalb überall dort zum Einsatz, wo Strom fliesst: im Stromkabel, im Elektroauto oder in Windrädern. Da die Wirtschaft von fossiler Energie auf Elektrizität umgestellt wird, dürfte der Bedarf nach Kupfer in Zukunft deutlich grösser werden.

Beim Kupfer ist Europa heute weitgehend von Lieferanten ausserhalb des Kontinents abhängig. Nur etwa drei bis vier Prozent des Kupfers werden in Europa gefördert. Der weitaus grösste Teil wird in Chile, Peru, dem Kongo und China abgebaut. Und gerade die chinesischen Firmen dominieren heute auch den Handel mit Kupfer.

Ist eine neue Mine einmal in Betrieb, winken gigantische Gewinne. Doch vorgängig verschlingen all die Vorarbeiten, gescheiterten Projekte oder nicht bewilligten Vorhaben sehr viel Geld. «Aber eine Bergbaufirma muss das machen, um auch wieder neue Minen eröffnen zu können. Denn in keiner Mine können ewig Rohstoffe abgebaut werden», erläutert Greg Joslin die Ausgangslage für Boliden, seinen Arbeitgeber.

Eine Mine hat immer einen Fussabdruck.
Autor: Helena Kjellson Chefin der schwedischen Bergbaubehörde

Damit sich der Abbau überhaupt lohnt, müssen die Vorkommen so gross sein, dass typischerweise 20 Jahre lang Rohstoffe abgebaut werden können. Und je grösser, desto besser.

Das bedeutet aber auch, dass solche Minenprojekte riesige Ausmasse haben und der Fussabdruck auf die Umwelt gross sei, wie die Chefin der schwedischen Bergbaubehörde betont. Anders gehe es gar nicht.

Dementsprechend streng sind die gesetzlichen Anforderungen, um die ökologischen Folgen einer Mine zu minimieren. Beispielsweise in Bezug auf das Grundwasser oder die Fauna und Flora. Alles zentrale Fragen, die bei neuen Minenprojekten ebenfalls geklärt werden müssen.

Eine neue Mine sorgt für Kritik

Einen solchen Eingriff in die Landschaft will der Naturschützer Ulf Johansson verhindern. Er wehrt sich mit Gleichgesinnten gegen eine geplante Mine.

Älterer Mann mit Brille im herbstlichen Wald.
Legende: «Die Landschaft würde sich hier komplett verändern», meint Ulf Johansson zu den Folgen der geplanten Mine. SRF / Matthias Heim

Die schwedische Bergbaufirma Boliden möchte westlich des nordschwedischen Dorfs Älvsbyn Rohstoffe abbauen: hauptsächlich Kupfer, aber auch Gold, Silber und Molybdän. Im September 2024 hat die Firma das entsprechende Gesuch bei den zuständigen Bergbaubehörden eingereicht.

Vorgesehen sind zwei Tagbauminen, in denen die Rohstoffe abgebaut werden. Grosse Kipplaster transportieren die Gesteinsbrocken an die Oberfläche. Das wertlose Material wird als Ausbruchsmaterial gleich nebenan deponiert. Das metallhaltige Gestein hingegen wird in die Raffinerie auf dem Gelände gebracht. Dort wird das Gestein zermahlen. Aus dem feinkörnigen Sand werden anschliessend die begehrten Bodenschätze extrahiert. Anschliessend gelangt auch dieser Sand auf die Deponie.

Letztlich würde nur ein winziger Teil des Gesteins effektiv genutzt: Der Metallgehalt beträgt 0.2 Prozent. Die restlichen 99.8 Prozent des Materials werden vor Ort deponiert. Insbesondere das sandige Ausbruchsmaterial bereitet Ulf Johansson Sorgen. «Schwermetalle können ausgewaschen werden und in die Gewässer gelangen», befürchtet der Naturschützer.

Zwar plane die Betreiberfirma Boliden einen mächtigen Damm, um genau solche Auswirkungen zu verhindern. Doch dieser könne lecken, gibt Ulf Johansson zu Bedenken.

Das «tote Gebiet»

Die Befürchtungen des Naturschützers sind nicht aus der Luft gegriffen, sondern zeigen sich bereits heute im Gelände. Am Standort der geplanten Mine gab es während des Zweiten Weltkrieges bereits einmal eine Kupfermine. Dort, wo damals das Ausbruchsmaterial abgelagert wurde, herrscht heute eine trostlose Öde. «Hier wächst fast nichts», enerviert sich der Naturschützer und zeigt auf die kümmerlichen Birken und das wenige Gras. Auch nach Jahrzehnten sind die Folgen der ehemaligen Mine in der Landschaft sichtbar.

Die Bergbaufirma Boliden stellt nicht in Abrede, dass die geplante Mine Auswirkungen auf die Natur und die Landschaft haben werde. Gemäss ihrer Einschätzung seien diese aber «unbedeutend» oder «klein», wie das Unternehmen in der Stellungnahme zuhanden der Behörden schreibt.

Die neue Mine – zum Wohle von wem?

Zudem würden die positiven Aspekte überwiegen: In der abgelegenen Region entstünden über 500 neue Arbeitsplätze. Gleichzeitig könne das Kupfer lokal abgebaut werden, da der weltweite Bedarf aufgrund der Umstellung auf die grüne Wirtschaft noch deutlich ansteigen werde. Darüber hinaus würde Boliden die neuste Bergbautechnik einsetzen, um Schäden zu verhindern und minimieren.

Die Mine als Barriere in der Landschaft

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Rentierherde im Schnee.
Legende: Reuters

Nebst den Naturschützern stehen auch die Ureinwohner, die Samen, neuen Minenprojekten kritisch gegenüber. Grosse Minen sind faktisch wie eine Barriere in der Landschaft und verunmöglichen es den Samen, mit ihren Rentieren zwischen den Weidegebieten hin- und herzuziehen.

Die Provinzregierung und die schwedische Bergbaubehörde haben deshalb erst im September 2024 ein Minenprojekt einer britischen Rohstofffirma abgelehnt. «Wir haben das Minenprojekt abgelehnt, weil es die Rentierzucht verunmöglicht hätte», begründet Helena Kjellson, die Chefin der schwedischen Bergbaubehörde, den Entscheid.

Das Dilemma: Wo sollen die Rohstoffe herkommen?

Die Idee, dass Europa die benötigten Rohstoffe selber fördert, ist auf den ersten Blick nachvollziehbar und sinnvoll. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich allerdings, dass der Weg dahin wortwörtlich steinig ist: Neue Vorkommen zu finden, dauert Jahre und ist teuer. Zudem sind neue Minen aufgrund der Auswirkungen auf die Natur umstritten. Folglich ist Europa – wohl oder übel – bei wichtigen Materialien noch lange von einzelnen Staaten oder Lieferanten abhängig.

Gleichzeitig stellt sich die unbequeme Frage, ob der Rohstoffabbau einigermassen geordnet, rechtsstaatlich und menschenrechtsverträglich in Europa geschehen soll oder anderswo, wo der Umweltschutz und die Rechte der Ureinwohnerinnen hinter der Nachfrage nach Rohstoffen zurückstehen müssen.

Rendez-vous, 6.1.24, 12:30 Uhr

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