Weit draussen in der schwedischen Wildnis zerteilt David Suter mit ein paar kräftigen Hammerschlägen einen rostfarbigen Stein. «Wir sind am richtigen Ort», sagt der Schweizer Geologe und zeigt auf glitzernde Partikel. Es sind Spuren von Kupfer und Nickel. Genau nach solchen Hinweisen im Gestein hat er gesucht.
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Bild 1 von 4Legende: Seit sieben Jahren arbeitet der 36-jährige David Suter als Geologe für die schwedische Bergbaufirma Boliden im Norden von Schweden. SRF / Matthias Heim
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Bild 2 von 4Legende: David Suter zertrümmert mit dem Hammer einen Stein. Zum Vorschein kommen Spuren von Kupfer und Nickel. SRF / Matthias Heim
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Bild 3 von 4Legende: Die beiden Geologen Greg Joslin (links) und David Suter (rechts) untersuchen einen Gesteinsbrocken. Sie suchen im Dienste der Bergbaufirma Boliden nach neuen Rohstoffvorkommen. SRF / Matthias Heim
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Bild 4 von 4Legende: Die Arbeit der beiden Geologen David Suter (links) und Greg Joslin (rechts) beginnt oft im Archiv und beim Studium von Karten. Später, bei den Felduntersuchungen, nutzen sie nebst dem Hammer auch moderne Mittel wie Drohnen, um neue Rohstoffvorkommen zu finden. SRF / Matthias Heim
In ganz Skandinavien sind viele der begehrten Rohstoffe im Untergrund vorhanden: Kupfer, Lithium, Kobalt oder Seltene Erden. Die grosse Frage ist allerdings, wo in den Weiten des Nordens.
Die Bodenschätze zu finden, ist die Aufgabe des Explorationsteams der schwedischen Bergbaufirma Boliden, zu dem auch David Suter gehört. Geleitet wird das Team vom US-Amerikaner Greg Joslin. «Wir suchen eine Lagerstätte von guter Qualität, die wir als Mine betreiben können.»
So eine Stelle vermuten die beiden Geologen südlich der schwedischen Stadt Skellefteå. Die bisherigen Untersuchungen an diesem Standort deuten auf eine ergiebige Lagerstätte für Kupfer hin. Die Resultate sind jedenfalls so vielversprechend, dass Boliden Testbohrungen durchführt.
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Bild 1 von 4Legende: Der Bohrplatz steht mitten in der Wildnis und beansprucht etwa die Fläche eines Tennisfeldes. Der Bohrer (in der Bildmitte) kann als Schutz vor Wind und Wetter zugedeckt werden. Ein geländegängiger Traktor bringt jeweils das Material von einem Bohrloch zum nächsten. SRF / Matthias Heim
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Bild 2 von 4Legende: Mit Testbohrungen wird der Untergrund genauer erforscht. An diesem Standort vermuten die Geologen eine Lagerstätte für Kupfer. Jedes der Bohrlöcher wird bis zu 400 Meter tief. SRF / Matthias Heim
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Bild 3 von 4Legende: Betrieben wird die Bohranlage von zwei Spezialisten. Gearbeitet wird im 2-Schicht-Betrieb, auch im Winter bei minus 30 Grad. SRF / Matthias Heim
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Bild 4 von 4Legende: Die schwedische Bergbaufirma baut seit 100 Jahren in Schweden Rohstoffe ab: vor allem Gold, Silber, Kupfer und Nickel. Die Firma beschäftigt rund 6000 Angestellte und besitzt fünf Minen, drei in Schweden und je eine in Finnland und Irland. ZVG / Boliden
Wenn die Resultate der Testbohrungen die gewünschten Resultate liefern, würden mehr Personal und Maschinen eingesetzt, erklärt Joslin. So habe man innerhalb weniger Jahre ein verlässliches Bild des Untergrundes. «Aber meistens dauert es länger und wir müssen nochmals zurück an den Bürotisch und neue Ansätze suchen.»
Der Weg zu einer neuen Mine ist lang. «Die geologischen Untersuchungen, die Testbohrungen, der endgültige Entscheid, eine Mine zu eröffnen, all das dauert Jahre», so der Geologe Greg Joslin. Das heisst, von den ersten Studien bis zur Eröffnung einer neuen Mine dauert es zehn bis 20 Jahre. Bestenfalls.
Boom auf neue Bodenschätze
Boliden ist längst nicht die einzige Firma, die in Skandinavien nach den begehrten Bodenschätzen sucht. Angetrieben von der grossen Nachfrage nach Rohstoffen, suchen aktuell viele Firmen ihr Glück im Norden von Europa und beantragen bei der schwedischen Bergbaubehörde Lizenzen für Felduntersuchungen und Testbohrungen.
Helena Kjellson, die Chefin der Bergbaubehörde mit Sitz in Luleå, beobachtet dabei eine neue Entwicklung: «Wir erhalten viele Gesuche für neue Mineralien, die bisher nicht so im Fokus standen.» Dazu gehören beispielsweise Lithium oder Kobalt. Rohstoffe, die es vor allem für fossilfreie Technologien braucht.
Allerdings sei die Nachfrage nach Lizenzen für Kupfer immer noch am grössten, betont Kjellson: Fast 600 Gesuche hat die Behörde für die Suche nach Kupfer und andere Metalle bewilligt, 130 umfassen Kobalt und gut 60 Gesuche unter anderem Lithium.
Ist eine neue Mine einmal in Betrieb, winken gigantische Gewinne. Doch vorgängig verschlingen all die Vorarbeiten, gescheiterten Projekte oder nicht bewilligten Vorhaben sehr viel Geld. «Aber eine Bergbaufirma muss das machen, um auch wieder neue Minen eröffnen zu können. Denn in keiner Mine können ewig Rohstoffe abgebaut werden», erläutert Greg Joslin die Ausgangslage für Boliden, seinen Arbeitgeber.
Eine Mine hat immer einen Fussabdruck.
Damit sich der Abbau überhaupt lohnt, müssen die Vorkommen so gross sein, dass typischerweise 20 Jahre lang Rohstoffe abgebaut werden können. Und je grösser, desto besser.
Das bedeutet aber auch, dass solche Minenprojekte riesige Ausmasse haben und der Fussabdruck auf die Umwelt gross sei, wie die Chefin der schwedischen Bergbaubehörde betont. Anders gehe es gar nicht.
Dementsprechend streng sind die gesetzlichen Anforderungen, um die ökologischen Folgen einer Mine zu minimieren. Beispielsweise in Bezug auf das Grundwasser oder die Fauna und Flora. Alles zentrale Fragen, die bei neuen Minenprojekten ebenfalls geklärt werden müssen.
Eine neue Mine sorgt für Kritik
Einen solchen Eingriff in die Landschaft will der Naturschützer Ulf Johansson verhindern. Er wehrt sich mit Gleichgesinnten gegen eine geplante Mine.
Die schwedische Bergbaufirma Boliden möchte westlich des nordschwedischen Dorfs Älvsbyn Rohstoffe abbauen: hauptsächlich Kupfer, aber auch Gold, Silber und Molybdän. Im September 2024 hat die Firma das entsprechende Gesuch bei den zuständigen Bergbaubehörden eingereicht.
Vorgesehen sind zwei Tagbauminen, in denen die Rohstoffe abgebaut werden. Grosse Kipplaster transportieren die Gesteinsbrocken an die Oberfläche. Das wertlose Material wird als Ausbruchsmaterial gleich nebenan deponiert. Das metallhaltige Gestein hingegen wird in die Raffinerie auf dem Gelände gebracht. Dort wird das Gestein zermahlen. Aus dem feinkörnigen Sand werden anschliessend die begehrten Bodenschätze extrahiert. Anschliessend gelangt auch dieser Sand auf die Deponie.
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Bild 1 von 4Legende: Diese heute weitgehend naturbelassene Landschaft würde von der geplanten Kupfermine zerstört, befürchten Naturschützerinnen und -schützer. Selbst die Bergbaufirma Boliden negiert die negativen Auswirkungen auf die Landschaft nicht. SRF / Matthias Heim
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Bild 2 von 4Legende: Eine Visualisierung der geplanten Mine. Die Deponie für das Ausbruchsmaterial (links) wird einen Durchmesser von drei Kilometern haben und mehrere Dutzend Meter hoch werden. Die beiden Tagbauminen (rechts) werden jeweils mehrere Hundert Meter tief. Die Mine soll 25 Jahre betrieben werden. Screenshot Boliden
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Bild 3 von 4Legende: In einer Tagbaumine erfolgt der Abbau oberirdisch wie hier in Bolidens bestehender Aitik-Mine: Zuerst wird das Gestein gesprengt, anschliessend verladen es Bagger auf Kipplaster, die das Material an die Oberfläche bringen. Aufgrund dieses Verfahrens entsteht im Laufe der Zeit ein riesiges «Loch» in der Landschaft. ZVG / Boliden
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Bild 4 von 4Legende: Der Naturschützer Ulf Johansson zeigt auf einer Karte die Ausmasse der geplanten Kupfermine. Voraussichtlich wird die Mine ein Gelände von über 2000 Hektaren beanspruchen. SRF / Matthias Heim
Letztlich würde nur ein winziger Teil des Gesteins effektiv genutzt: Der Metallgehalt beträgt 0.2 Prozent. Die restlichen 99.8 Prozent des Materials werden vor Ort deponiert. Insbesondere das sandige Ausbruchsmaterial bereitet Ulf Johansson Sorgen. «Schwermetalle können ausgewaschen werden und in die Gewässer gelangen», befürchtet der Naturschützer.
Zwar plane die Betreiberfirma Boliden einen mächtigen Damm, um genau solche Auswirkungen zu verhindern. Doch dieser könne lecken, gibt Ulf Johansson zu Bedenken.
Das «tote Gebiet»
Die Befürchtungen des Naturschützers sind nicht aus der Luft gegriffen, sondern zeigen sich bereits heute im Gelände. Am Standort der geplanten Mine gab es während des Zweiten Weltkrieges bereits einmal eine Kupfermine. Dort, wo damals das Ausbruchsmaterial abgelagert wurde, herrscht heute eine trostlose Öde. «Hier wächst fast nichts», enerviert sich der Naturschützer und zeigt auf die kümmerlichen Birken und das wenige Gras. Auch nach Jahrzehnten sind die Folgen der ehemaligen Mine in der Landschaft sichtbar.
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Bild 1 von 4Legende: Dieses Gebiet nennt der Naturschützer Ulf Johansson «totes Gebiet», weil der Untergrund einer ehemaligen Kupfermine aus dem Zweiten Weltkrieg auch Jahrzehnte später noch verseucht ist. SRF / Matthias Heim
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Bild 2 von 4Legende: Überreste der alten Kupfermine aus dem Zweiten Weltkrieg. Vergleichen lassen sich die beiden Projekte nicht: Damals wurden in zehn Jahren so viele Rohstoffe abgebaut, wie in der geplanten Mine in zwei Wochen gefördert würden. SRF / Matthias Heim
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Bild 3 von 4Legende: Auf dem Gelände der ehemaligen Kupfermine sind die rostfarbigen Ablagerungen ein Hinweis auf die Metalle, die aus dem Ausbruchsmaterial der alten Kupfermine ausgewaschen werden. SRF / Matthias Heim
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Bild 4 von 4Legende: Die Deponie besteht unter anderem aus einer dicken Sandschicht. Während des Zweiten Weltkrieges wurde das Gestein zermahlen, um daraus das Kupfer zu gewinnen. Anschliessend wurde das Material deponiert. SRF / Matthias Heim
Die Bergbaufirma Boliden stellt nicht in Abrede, dass die geplante Mine Auswirkungen auf die Natur und die Landschaft haben werde. Gemäss ihrer Einschätzung seien diese aber «unbedeutend» oder «klein», wie das Unternehmen in der Stellungnahme zuhanden der Behörden schreibt.
Die neue Mine – zum Wohle von wem?
Zudem würden die positiven Aspekte überwiegen: In der abgelegenen Region entstünden über 500 neue Arbeitsplätze. Gleichzeitig könne das Kupfer lokal abgebaut werden, da der weltweite Bedarf aufgrund der Umstellung auf die grüne Wirtschaft noch deutlich ansteigen werde. Darüber hinaus würde Boliden die neuste Bergbautechnik einsetzen, um Schäden zu verhindern und minimieren.
Das Dilemma: Wo sollen die Rohstoffe herkommen?
Die Idee, dass Europa die benötigten Rohstoffe selber fördert, ist auf den ersten Blick nachvollziehbar und sinnvoll. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich allerdings, dass der Weg dahin wortwörtlich steinig ist: Neue Vorkommen zu finden, dauert Jahre und ist teuer. Zudem sind neue Minen aufgrund der Auswirkungen auf die Natur umstritten. Folglich ist Europa – wohl oder übel – bei wichtigen Materialien noch lange von einzelnen Staaten oder Lieferanten abhängig.
Gleichzeitig stellt sich die unbequeme Frage, ob der Rohstoffabbau einigermassen geordnet, rechtsstaatlich und menschenrechtsverträglich in Europa geschehen soll oder anderswo, wo der Umweltschutz und die Rechte der Ureinwohnerinnen hinter der Nachfrage nach Rohstoffen zurückstehen müssen.