Wer hätte das gedacht? Zu Beginn der Pandemie, vor zwei Jahren, musste man in der Schweiz mit einer Welle von Entlassungen rechnen – etliche Firmen in Schwierigkeiten, düstere Szenarien für den Schweizer Arbeitsmarkt. Und jetzt? Das Gegenteil. Ein komplett anderes Bild. Statt Massenarbeitslosigkeit gibt es Engpässe auf dem Arbeitsmarkt – die Firmen suchen verzweifelt nach Personal, so viele offene Stellen wie schon lange nicht mehr und die Arbeitslosigkeit ist verhältnismässig tief.
Nach dem Stillstand kam der Wandel
Laut den am Freitag vom Staatssekretariat für Wirtschaft präsentierten Zahlen waren im Dezember 121'728 Menschen bei den regionalen Arbeitsvermittlungszentren als arbeitslos registriert, das sind 26 Prozent weniger als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote liegt aktuell bei 2.6 Prozent. Was also ist geschehen – wie kommt diese erstaunliche Wende zustande, von einem Extrem ins andere?
Es gibt mehrere Erklärungen:
- Eine Pandemie hat ihre eigenen Gesetzmässigkeiten. Zuerst der Schock, mit einem Stillstand. Zu Beginn der Pandemie mussten etliche Firmen vorübergehend schliessen. Dies hatte die Angst vor einer Massenarbeitslosigkeit ausgelöst. Jetzt aktuell geht eine weitere Welle von Corona durchs Land, aber die Ausgangslage ist anders. Die Betriebe sind zwar offen, aber jetzt fehlt zum Teil das Personal am Arbeitsplatz. Mehr als 140'000 Menschen stecken in Quarantäne. Etliche Entwicklungen der letzten zwei Jahre waren unvorhersehbar, überraschend – es gibt kein Lehrbuch über die wirtschaftlichen Auswirkungen einer globalen Krankheit.
- Der zweite Grund für den Wandel auf dem Arbeitsmarkt hat mit der Flexibilität der Menschen zu tun. Viele mussten ihr Leben anpassen und haben das auch gemacht. Sei es eine neue Arbeit suchen, die Branche wechseln oder auch den Arbeitsort – statt im Büro im Homeoffice. Die Flexibilität der Arbeitnehmenden hat geholfen, den Schock auf dem Arbeitsmarkt abzufedern. Und auch die Firmen mussten reagieren – etliche Unternehmen haben ihr Geschäftsmodell komplett umgekrempelt – noch mehr online als zuvor.
- Der dritte Grund für den wundersamen Wandel auf dem Arbeitsmarkt sind die Massnahmen und Instrumente, die zur Bewältigung der Krise eingesetzt worden sind. Insbesondere die Kurzarbeit. Auf dem Höhepunkt der Krise im Frühling 2020 waren fast 1.4 Millionen Menschen in Kurzarbeit, so viele wie noch nie. Statt die Menschen zu entlassen, konnten sie weiter im Betrieb bleiben – die Arbeitslosenkassen haben einen grossen Teil der Lohnkosten übernommen. Zusätzlich zur Kurzarbeit haben der Bund und die Kantone die Betriebe mit Hilfsmassnahmen unterstützt und die grossen Zentralbanken der Welt haben so viel Geld in den Kreislauf gebracht wie noch nie in Friedenszeiten.
Die Kombination dieser Faktoren hat zu diesem sonderbaren Wandel am Schweizer Arbeitsmarkt geführt. Von der Angst der Massenarbeitslosigkeit hin zu einem Engpass beim Personal.