Wegen jahrelanger zahlreicher Negativschlagzeilen litt die Schweizer Grossbank Credit Suisse unter massivem Vertrauensverlust. Vor zwei Wochen wurde die zweitgrösste Bank des Landes notfallmässig von der UBS übernommen. Der Abfluss von Kundengeldern war nicht mehr zu stoppen.
Mitten im Geschehen: die Schweizerische Nationalbank (SNB), die hunderte Milliarden Franken an Liquiditätsgarantien spricht. Ist damit das Schlimmste abgewendet? Martin Schlegel, Vizepräsident der SNB, stellt sich im Eco Talk den Fragen von Reto Lipp.
SRF News: Was gibt die Schweiz international für ein Bild ab, wenn sie die Rechte der Aktionäre per Notrecht ausschaltet? Was heisst das für den Finanzplatz?
Martin Schlegel: Das Bild des Schweizer Finanzplatzes wird eher dadurch in Mitleidenschaft gezogen, weil eine systemrelevante Bank solche Probleme bekommt. Ich denke, der Notrechtsbeschluss ist hier sekundär.
Der Vertrauensverlust hat bereits im vergangenen Herbst stattgefunden. Hätten die Finanzmarktaufsicht Finma oder die Nationalbank nicht bereits dann tätig werden müssen?
Die Situation im Herbst war ein Alarmzeichen. Sie war aber nicht so dramatisch, dass die Behörden hätten eingreifen können. Sie dürfen das nicht einfach so in einem solchen Fall. Die Credit Suisse hatte damals noch die Chance, den Turnaround selbst zu schaffen. Letztlich wäre so oder so das Beste gewesen, wenn die Bank sich aus eigener Kraft hätte retten können.
Die Behörden haben seit mehreren Monaten an verschiedenen Lösungen gearbeitet. Am Schluss ist der Bund zum Schluss gekommen, dass das die beste Lösung ist.
Die Rolle der Nationalbank ist diejenige, dass sie Liquidität zur Verfügung stellt, einer Bank, die solvent ist. Das machen wir gegen einen Zins und gegen Sicherheiten. Wenn eine Bank solvent ist, dann geben wir Liquidität, und das ist genau passiert von zweieinhalb Wochen.
Am Sonntag wurde dann die Übernahme durch die UBS präsentiert, war das die beste Lösung?
Die Behörden haben seit mehreren Monaten an verschiedenen Lösungen gearbeitet. Am Schluss ist der Bund zum Schluss gekommen, dass das die beste Lösung ist. Man muss aber sagen, es war die beste Lösung unter schlechten Lösungen.
Zentralbanken, das ist schon seit Jahrhunderten so, geben nur Liquidität gegen ausreichend Sicherheiten und zu einem höheren Zins. Wenn die Sicherheit nicht mehr da ist, braucht es einen politischen Entscheid, und deshalb kam im Credit-Suisse-Fall der Bund ins Spiel, der in diesem Fall Garantie gibt.
Was wäre passiert, wenn es keinen Deal mit der UBS gegeben hätte?
An diesem Montagmorgen hätte es höchstwahrscheinlich eine Finanzkrise gegeben. Das hätte nicht nur den Schweizer Finanzplatz, sogar die internationale Wirtschaft in Mitleidenschaft ziehen können. Die CS wäre als globale systemrelevante Bank am Montag zahlungsunfähig gewesen. Noch nie ist eine solche Bank zahlungsunfähig geworden. Es gab ein enormes Risiko einer globalen Finanzkrise.
Sie sind auch zuständig für die Finanzstabilität, die Zinsen sind gestiegen – auch in der Schweiz. Geht das jetzt so weiter?
Wir haben immer gesagt, falls es notwendig ist, werden wir weiterhin die Zinsen erhöhen. Unsere Priorität ist glasklar. Das ist die Preisstabilität. Wir werden alles daran setzen, dass die Inflation sich wieder im Zielband bewegt und dieses liegt zwischen Null und zwei Prozent. Das Zinsniveau in der Schweiz liegt bei 1.5 Prozent, das ist nicht hoch. Wir sehen derzeit keine Anzeichen dafür, dass dies die Finanzstabilität in der Schweiz gefährden könnte.
Das Gespräch führte Reto Lipp.