Sonne, Strand und fremde Sprachen – meist zu günstigeren Preisen als zu Hause. Auf das stellt man sich hierzulande seit Jahrzehnten in den Sommerferien ein.
Doch diese Erzählung gerät derzeit ins Wanken. Sei es in Italien, auf Mallorca oder in den USA: Überall schiessen die Preise durch die Decke.
Die weltweite Inflation und die Schweiz
Die Schweiz ist also nicht mehr nur «Hochpreisinsel», sondern auch «Inflationsinsel». Konkret erwarten die Auguren in der Eurozone in den 27 Mitgliedstaaten etwa eine Teuerung von sieben Prozent fürs laufende Jahr. Zum Vergleich: In der Schweiz geht das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) von zwei Prozent aus.
Wie wirkt sich das auf die Kosten für Reisende aus der Schweiz aus? Laut Zahlen des Reiseversicherers Europ Assistance, einem Tochterunternehmen der Generali-Versicherung, will der durchschnittliche Schweizer Haushalt für die Sommerferien in diesem Jahr 3443 Franken ausgeben.
Will man berechnen, wohin das reicht, kann man die sogenannte Kaufkraftparität zur Hand nehmen. Die letzten Zahlen des Bundesamtes für Statistik (BFS) stammen aus dem Jahr 2021. Um einen bestimmten Warenkorb zu erwerben, welcher in der EU 100 Euro kostete, musste man damals in der Schweiz 167 Franken in die Hand nehmen, in Deutschland nur 111 Euro; in Frankreich 108 Euro, in Italien 98 Euro und in Österreich 114 Euro.
Preisniveauindizes in Europa
Die Zahlen für 2022 erscheinen erst Ende Jahr. Angesichts der steilen Inflationsraten in unseren Nachbarländern ist eine deutliche Steigerung fürs laufende Jahr zu erwarten. Hans-Markus Herren, Bereichsleiter Konsumentenpreise beim BFS, mahnt aber zur Vorsicht: «Die Kaufkraftparitäten halten sich über die Jahre relativ stabil.» Entscheidend sei, ob man die Preise in Schweizer Franken berechne oder in der Ortswährung. Der starke Franken könne nämlich für einen Ausgleich sorgen.
Reiselust scheint ungebrochen
Wer sich umhört in der Branche, merkt: Noch ist wenig zu spüren von einem Preisschock. Markus Flick, Mediensprecher bei Kuoni, erklärt, dass Reisende aus der Schweiz derzeit rund zehn Prozent mehr ausgeben als im Vorjahr. Wofür diese Kosten genau anfallen, ist aber nicht wirklich klar. Es ist gut möglich, dass sich der eine oder die andere nach drei Jahren Corona auch einfach mehr leisten will.
Das beobachtet auch Jürg Stettler, Tourismus-Experte an der Hochschule Luzern. «Das Reiseverhalten hat sich nach Corona relativ schnell wieder normalisiert.» Auch durch die aktuellen Inflationsraten in Europa sieht er noch keine grundlegende Veränderung dieser Dynamik: «Auf den ersten Blick vermiesen die hohen Preise im Ausland den Schweizern schon etwas die Ferien.» Doch der starke Franken gleiche das wieder aus.
Reisen ist etwas, das man sich lange leistet.
Ein Bereich, der ohne Frage teurer geworden ist, ist das Fliegen. Gemäss dem Vergleichsdienst Comparis sind die Kosten im Vergleich zum Vorjahr um 46 Prozent gestiegen. «Die Fluggesellschaften operieren derzeit noch immer mit reduzierten Kapazitäten. Das trifft auf eine hohe Nachfrage. Ergo steigt der Preis», so Jürg Stettler. Mittelfristig könne sich dies aber wieder ändern und ein Preiskampf einsetzen.
Längerfristig könnten die politischen Diskussionen rund um eine CO₂-Abgabe zwar dazu führen, dass das Reisen im Flugzeug unattraktiver werde. Doch auch hier würden sich die Menschen flexibel zeigen. «Reisen ist etwas, das man sich lange leistet. Dann reist man halt zu anderen Zeiten; woanders hin oder weniger lange.»