Seit 2011 stellt das Netzwerk Steuergerechtigkeit alle zwei Jahre das Steueroasen-Ranking zusammen. Wer hier einen Spitzenplatz belegt, gilt als bereitwilliger Handlanger von Steuerhinterziehern und Geldwäschern. Bisher belegte die Schweiz immer Platz eins auf dieser Liste, galt demnach als grösste Steueroase weltweit.
In der neuesten Rangliste ist sie immerhin auf Platz drei abgerutscht – hinter die Cayman Islands und den USA. Dass die Schweiz nun etwas besser abschneide, sei keine Überraschung, sagt Dominik Gross, Finanzexperte der Entwicklungs-Dachorganisation Alliance Sud.
Es habe hauptsächlich mit der Ausweitung des Automatischen Informationsaustausches (AIA) zu tun, den die Schweiz mit weiteren Staaten aktiviert habe. Das sei auf jeden Fall eine positive Entwicklung, sagt der Entwicklungsländer-Lobbyist. «Am Grundproblem ändert das aber nichts: Viele Länder im globalen Süden bleiben weiter vom AIA ausgeschlossen.»
Dies, weil die Schweiz mit diesen Entwicklungsländern – wegen fehlender Datensicherheit – keine Bankdaten abgleicht. Vermögende Privatpersonen aus Entwicklungsländern könnten ihr Geld daher nach wie vor praktisch risikofrei vor den Steuerbehörden ihrer Herkunftsländer verstecken, wenn sie entsprechende Dienstleistungen bei Banken und Finanzdienstleistern in der Schweiz in Anspruch nähmen, sagt Gross.
Dubiose Briefkastenfirmen
Das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) teilt auf Anfrage mit, die Schweiz wende die internationalen Standards an. Alliance Sud hält den Beitrag der Schweizer Finanz- und Steuerpolitik zur Bekämpfung der weltweiten Steuerflucht auch aus anderen Gründen für ungenügend.
So gäbe es noch immer kein öffentlich zugängliches Register für die wirtschaftlich Berechtigten hinter Briefkasten-Firmen in der Schweiz. Man kann also nicht nachvollziehen, wer dahintersteckt und was mit dem Geld passiert. Gross nennt als Beispiel die Luanda-Leaks, den jüngsten Skandal um Offshore-Firmen der Tochter des früheren angolanischen Präsidenten.
«In diesem Fall würde ein Register stark helfen, weil man sehen würde, wer effektiv die Besitzer dieser Firmen sind. Es wäre einfacher, diese Konstrukte unabhängig von Leaks nachzuvollziehen», sagt Gross.
Auch die Finanzrechtsexpertin Monika Roth von der Hochschule Luzern kritisiert bei den Briefkastenfirmen noch grosse Intransparenz. Sie ist aber sicher, dass der Druck aus der EU immer grösser wird, die wirtschaftlich Berechtigten offenzulegen. Die EU-Länder sind gerade dabei, solche Regeln einzuführen.
Die Schweiz kann sich nicht leisten, wieder auf Schwarzen Listen aufzutauchen.
Defizite sieht Roth auch bei den Dienstleistern: Anwälte und Notare hätten bislang nichts zu befürchten, wenn sie anonyme Briefkastenfirmen gründeten, um damit reichen Kunden zu helfen, Steuern vor dem Fiskus zu verstecken. «Das wird langfristig nicht zu halten sein, weil der Druck internationaler Gremien besteht.»
Ohne Nachbesserungen drohten allerdings neue internationale Sanktionen, kritisiert Roth: «Die Schweiz kann es sich nicht leisten, wieder auf Schwarzen Listen aufzutauchen.» Das Parlament wird sich damit so oder so noch einmal befassen müssen – trotz der besseren Platzierung der Schweiz im Ranking der globalen Steueroasen.
Echo der Zeit, 18.02.2020, 18 Uhr; frol