Wer in den USA etwas kaufen möchte, muss über sechs Prozent mehr bezahlen als vor einem Jahr – die Inflation ist dort so hoch wie seit 1990 nicht mehr. Präsident Joe Biden ist alarmiert und sagt, für ihn habe die Umkehr des Teuerungstrends Top-Priorität. Ökonom Thomas Stucki sieht das Steuer eher in den Händen der US-Notenbank.
SRF News: Weshalb ist die Jahresinflation in den USA in den letzten Monaten derart stark angestiegen?
Thomas Stucki: Zum einen ist die Nachfrage nach Gütern und Produkten in den USA nach dem pandemiebedingten Einbruch stark gestiegen, zum anderen muss für das Benzin wegen des teuren Erdöls viel mehr bezahlt werden. Das ist der Hauptgrund für die hohe Inflationsrate in den USA.
Die Inflationsrate dürfte in den USA in nächster Zeit weiter ansteigen. Wird die US-Notenbank, die Fed, jetzt bald reagieren?
Sie wird nicht sofort reagieren. Sie sagt, die Teuerung sei ein vorübergehender Effekt und werde im nächsten Jahr wieder etwas abnehmen. Ich gehe allerdings davon aus, dass die Inflationsrate 2022 nicht stark zurückgehen wird. Deshalb wird die Fed irgendwann, vielleicht gegen Herbst 2022, die Zinsen erhöhen müssen.
Gerät die Fed also unter Handlungsdruck?
So würde ich das nicht sagen. Die US-Notenbank realisiert, dass die Wirtschaft gut läuft – vielleicht zu gut – und mit der Zeit wird sie darauf reagieren und an der Zinsschraube drehen.
Was bedeutet die hohe Inflationsrate in den USA für die Schweizer Wirtschaft und die Schweizerische Nationalbank SNB? Ist zu befürchten, dass der Franken wieder stärker wird?
Wichtig wird sein, wie sich die Inflationsdifferenz zwischen den USA und der Schweiz in den nächsten Jahren – nicht Tage oder Wochen – bewegen wird: Wenn die Inflation in den USA höher bleibt als in der Schweiz, wird der Dollar im Verhältnis zum Franken schwächer werden.
Der Franken könnte kurzfristig zum Dollar sogar schwächer werden.
Doch kurzfristig profitiert der Dollar davon, dass die US-Zentralbank die Zinsen als erste erhöhen wird. Dadurch werden Finanzanlagen in den USA attraktiver, was wiederum den Dollar stützt. Der Franken könnte kurzfristig zum Dollar also sogar schwächer werden.
Sie rechnen damit, dass die US-Notenbank relativ zeitnah reagiert, die Zinsen erhöht und die Teuerung in den USA damit nicht ausser Kontrolle gerät?
Genau. Die Märkte haben auf die Inflation bislang ja relativ gelassen reagiert. Das bedeutet, dass das Vertrauen in die Fed sehr gross ist, das Ganze unter Kontrolle zu haben.
Das Gespräch führte Jan Baumann.