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Trumps Zoll-Drohungen Schweizer Pharmaindustrie blickt besorgt in Richtung USA

Die Schweizer Pharmaindustrie spielt für die Schweiz wirtschaftlich eine besondere Rolle. Sie wird oft als Wachstumsmotor bezeichnet, ist aber auch ein Klumpenrisiko. Zölle würden sie empfindlich treffen.

Besondere Bedeutung: Die Pharma- und Chemie-Industrie ist mit einem Anteil von rund 50 Prozent die wichtigste Exportbranche der Schweiz. Zu ihr gehören etwa 1000 Firmen, die zusammen rund 75'000 Personen beschäftigen und für rund zehn Prozent des Bruttoinlandprodukts verantwortlich sind. US-Präsident Donald Trump hat in den vergangenen Monaten mehrmals Zölle auf Pharmaprodukte aus der ganzen Welt angekündigt. Am 2. April sollen sie verkündet werden.

Komplexe Lieferketten: Die pharmazeutische Produktion funktioniert selten national. Die Firmen sind verbandelt mit der ganzen Welt. Häufig wird in einem Land geforscht, in einem anderen Land der Wirkstoff produziert, an weiteren Standorten abgefüllt. Gut konnte man das in der Pandemie beobachten: Erfunden wurden die Impfstoffe zum Beispiel in den USA bei Moderna. Den Wirkstoff hat dann das Schweizer Unternehmen Lonza im Wallis produziert. Und von dort ging es weiter rund um den Globus. Für solch komplizierte Lieferketten sind Zölle Gift.

Die Produktionslandschaft in der Schweiz

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Die Schweiz mit ihrem grossen Pharma- und Chemiesektor ist eingebunden in diese globalen Lieferketten und deshalb verletzlich, sollten die USA Zölle auf Pharmaprodukte erheben. Die Unternehmen sind allerdings unterschiedlich stark betroffen. Denn es gibt Firmen, die zwar ihren Sitz hierzulande haben, aber auch bedeutende Produktionsstandorte in den USA unterhalten. Roche gehört dazu oder auch die grosse Chemiefirma Clariant. Sie können die USA aus den USA beliefern und wären entsprechend wenig von US-Zöllen betroffen. Es gibt aber auch Firmen, die aus der Schweiz heraus die ganze Welt beliefern – etwa das deutsche Unternehmen Merck oder die japanische Firma Takeda. Takeda unterhält zwar global rund 25 Produktionsstandorte, aber eines seiner Medikamente gegen Blutgerinnungsstörungen ist weltweit einzigartig und entsteht gänzlich im schweizerischen Neuenburg.

Sonderrolle von Medikamenten bei Zöllen: Einige Mitgliedsstaaten der Welthandelsorganisation WTO haben sich darauf geeinigt, keine Zölle auf Medikamente zu erheben. Das sogenannte Pharma-Abkommen geht auf die Uruguay-Runde 1994 zurück. Nebst der Schweiz, Kanada, der Europäischen Union, Japan, Macao (China), Norwegen und dem Vereinigten Königreich zählen auch die USA zu den Unterzeichnern. WTO-Regeln haben für den US-Präsidenten aber derzeit kaum Bedeutung.

Die Risiken: Macht Trump die Zolldrohung wahr, dürften sich die Preise von Schweizer Pharmaprodukten in den USA erhöhen. Bei einzigartigen, lebenswichtigen Medikamenten mag das vielleicht keine grosse Wirkung auf den Verkauf haben – zu wichtig ist das Produkt für die Patienten. Doch bei vielen Arzneimitteln könnten die Umsätze durchaus zurückgehen; in den USA bezahlen die Patienten ihre Medikamente und Behandlungen zum grossen Teil aus der eigenen Tasche. Und schliesslich: Bei Investitions­entscheidungen könnten sich viele Schweizer Firmen zunehmend für die USA entscheiden und dafür Schweizer Standorte aufgeben. Der US-amerikanische Markt gehört zu den wichtigsten für die Branche.

Eine Hausapotheke mit verschiedenen Medikamenten
Legende: Eigentlich dürfte es auf den meisten Medikamenten gar keine Zölle geben. Doch diese Regel könnte ihre Gültigkeit verlieren. Keystone/ ANTHONY ANEX

Die Stimmung: Die Chemie- und Pharmafirmen in der Schweiz zeigen sich im Vorfeld der Zollentscheidung besorgt, aber nicht panisch. Interpharma, der Verband der forschenden Pharmafirmen in der Schweiz, ist überzeugt, dass die Schweiz viele Argumente gegen US-Zölle auf Pharmaprodukte hat – etwa, dass das Land alle Industriezölle gegenüber den USA abgebaut habe oder die Mehrwertsteuer sehr tief sei. Stephan Mumenthaler vom Verband Scienceindustries betont ausserdem die starke Präsenz von Schweizer Firmen in den USA, was Standorte, Arbeitsplätze und Investitionen angehe: «Die Schweizer Unternehmen sind grundsätzlich gut aufgestellt im amerikanischen Markt. Wir müssen uns da nicht verstecken.»

Der Aufstieg der Branche

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Die Anfänge der Pharmaindustrie gehen auf Chemiefirmen zurück. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts wurden im Raum Basel die ersten Firmen gegründet, vor allem zur Produktion von Farbstoffen. Die Nähe zu den Nachbarländern war zentral, denn in Deutschland und Frankreich fanden die Firmen Kunden, Abnehmer und Arbeitskräfte. Der Rhein diente als Transportweg, aber auch als Abwasserkanal. Beim Aufstieg spielte schon bald die internationale Vernetzung eine Rolle. In den Kriegszeiten verlagerten Roche und auch Ciba, eine Vorgängerin der heutigen Novartis, ihre Sitze in die USA. Die Industrie war wandlungsfähig und weitsichtig – noch heute Merkmale, die Experten der Branche attestieren. Der Patentschutz spielte eine wichtige Rolle – anfänglich, weil es ihn in der Schweiz nicht gab, in Deutschland hingegen schon, später unter umgekehrten Vorzeichen. Auch die Nähe zur Forschung und zu anderen Branchen war wichtig – damals wie heute.

Trend, 28.3.2025, 08:10 Uhr;stal;brus

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