Besondere Bedeutung: Die Pharma- und Chemie-Industrie ist mit einem Anteil von rund 50 Prozent die wichtigste Exportbranche der Schweiz. Zu ihr gehören etwa 1000 Firmen, die zusammen rund 75'000 Personen beschäftigen und für rund zehn Prozent des Bruttoinlandprodukts verantwortlich sind. US-Präsident Donald Trump hat in den vergangenen Monaten mehrmals Zölle auf Pharmaprodukte aus der ganzen Welt angekündigt. Am 2. April sollen sie verkündet werden.
Komplexe Lieferketten: Die pharmazeutische Produktion funktioniert selten national. Die Firmen sind verbandelt mit der ganzen Welt. Häufig wird in einem Land geforscht, in einem anderen Land der Wirkstoff produziert, an weiteren Standorten abgefüllt. Gut konnte man das in der Pandemie beobachten: Erfunden wurden die Impfstoffe zum Beispiel in den USA bei Moderna. Den Wirkstoff hat dann das Schweizer Unternehmen Lonza im Wallis produziert. Und von dort ging es weiter rund um den Globus. Für solch komplizierte Lieferketten sind Zölle Gift.
Sonderrolle von Medikamenten bei Zöllen: Einige Mitgliedsstaaten der Welthandelsorganisation WTO haben sich darauf geeinigt, keine Zölle auf Medikamente zu erheben. Das sogenannte Pharma-Abkommen geht auf die Uruguay-Runde 1994 zurück. Nebst der Schweiz, Kanada, der Europäischen Union, Japan, Macao (China), Norwegen und dem Vereinigten Königreich zählen auch die USA zu den Unterzeichnern. WTO-Regeln haben für den US-Präsidenten aber derzeit kaum Bedeutung.
Die Risiken: Macht Trump die Zolldrohung wahr, dürften sich die Preise von Schweizer Pharmaprodukten in den USA erhöhen. Bei einzigartigen, lebenswichtigen Medikamenten mag das vielleicht keine grosse Wirkung auf den Verkauf haben – zu wichtig ist das Produkt für die Patienten. Doch bei vielen Arzneimitteln könnten die Umsätze durchaus zurückgehen; in den USA bezahlen die Patienten ihre Medikamente und Behandlungen zum grossen Teil aus der eigenen Tasche. Und schliesslich: Bei Investitionsentscheidungen könnten sich viele Schweizer Firmen zunehmend für die USA entscheiden und dafür Schweizer Standorte aufgeben. Der US-amerikanische Markt gehört zu den wichtigsten für die Branche.
Die Stimmung: Die Chemie- und Pharmafirmen in der Schweiz zeigen sich im Vorfeld der Zollentscheidung besorgt, aber nicht panisch. Interpharma, der Verband der forschenden Pharmafirmen in der Schweiz, ist überzeugt, dass die Schweiz viele Argumente gegen US-Zölle auf Pharmaprodukte hat – etwa, dass das Land alle Industriezölle gegenüber den USA abgebaut habe oder die Mehrwertsteuer sehr tief sei. Stephan Mumenthaler vom Verband Scienceindustries betont ausserdem die starke Präsenz von Schweizer Firmen in den USA, was Standorte, Arbeitsplätze und Investitionen angehe: «Die Schweizer Unternehmen sind grundsätzlich gut aufgestellt im amerikanischen Markt. Wir müssen uns da nicht verstecken.»