Vor rund 111 Stunden feuerte der Präsident der USA, Donald Trump, seine Salve von Zoll-Schnellschüssen in die Welt. Die EU trifft es pauschal mit 20 Prozent. Jetzt, wo sich der Pulverstaub langsam legt, lassen sich erste Folgerungen ziehen, wie eine rudimentäre handelspolitische Überlebensstrategie der EU aussehen könnte.
Erstens: Willkür ist die Norm in den Beziehungen zu den USA. Das Argument, dass die US-Zollschranken beiden Blöcken gleichermassen schaden, stimmt. Zwei Reisen des EU-Handelskommissars Maroš Šefčovič in die USA haben aber gezeigt, dass mit rationalen Argumenten wenig zu holen ist. Die EU muss mit nicht nachvollziehbaren Handelsbarrieren leben. Es ist von Vorteil, dass die EU-Kommission hier das Heft in der Hand hat. Sie kann auf die besten Technokraten in diesem Bereich zurückgreifen. Das erlaubt, schneller, gezielter und wirkungsvoller in die Verhandlungen mit den USA einzusteigen. Von diesem Wissen könnten auch verbündete Staaten profitieren, zum Beispiel in Regionen, welche die Handelsbeziehungen mit der EU ausbauen wollen; also auch die Schweiz.
Einigkeit der EU ist Trumpf
Zweitens: Die EU muss sich so gross machen wie nur möglich. In den Beziehungen zu den USA gilt es «big», also gross, aufzutreten. Die Wirtschaftsministerinnen und -minister der 27 Mitgliedsstaaten trafen sich dafür in Luxemburg, um mögliche Gegenmassnahmen zu erörtern. Dabei zeigten die EU-Handelsminister als Block die erforderliche Geschlossenheit.
Das war so nicht zu erwarten. Nationale Interessen spielen in Handelsfragen eine grosse Rolle. Trotzdem koordiniert die EU aktuell intensiv, wie Gegenmassnahmen im Interesse der Gemeinschaft aussehen könnten. Die EU könnte Zollsätze für US-Importe senken, Industriezölle ganz abschaffen, wie sie das schon im Februar vergeblich angeboten hat; andere vereinheitlichen oder erhöhen. Sie hat alle Instrumente. Als Block kann sich die EU gegenüber den USA Gehör verschaffen, weit mehr als Einzelstaaten.
Welthandel in anderen Regionen stärken
Drittens: Abgesehen von den USA ergibt der geordnete Welthandel mit anderen globalen Handelsblöcken weiterhin grossen Sinn. Die EU ist schon länger daran, ihre Handelspolitik breiter abzustützen – in Asien, in Südamerika und Afrika. Auch die EU hat inzwischen ihren Infrastruktur-Förderfonds. Sie kann ihn gezielt als Anreiz einsetzen, den freien Handel mit Europa zu fördern. Die Welthandelsorganisation mag im Offsite stehen, blockiert aufgrund der USA. Ihr Regelwerk, zu dem sich die EU explizit bekennt, verliert nicht an Wert. Reagiert die EU nun flexibel, kann sie etwas gewinnen.
Unter dem Strich bleibt dennoch ein wirtschaftlich schmerzvoller Schaden wegen der Zollpolitik der USA. Wie alle anderen Länder muss auch die EU einen hohen Preis bezahlen. Unnötig, aber leider nicht wegzuverhandeln. Mit jeder Abfederungsmassnahme, die greift, ist aber schon viel gewonnen.