Bald beginnen die Verhandlungen über die Modernisierung des Freihandelsabkommens zwischen der Schweiz und China. Wie mit China umgehen? Diese Frage treibt die Schweiz seit langem um. Die Historikerin Ariane Knüsel hat zusammen mit Ralph Weber ein Buch zu diesem Thema herausgegeben.
SRF News: Die Frage nach dem Nähe-Distanz-Verhältnis zu China ist derzeit wieder hochaktuell. Zieht sich diese Frage schon länger durch die Geschichte der Beziehungen der Schweiz zu China?
Ariane Knüsel: Ja, das sehen wir schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Einerseits hatte man Angst vor der «gelben Gefahr», dass Chinesinnen und Chinesen den Menschen im Westen Arbeitsplätze wegnehmen könnten, andererseits wollte man den chinesischen Markt mit seinem enormen Gewinnpotenzial erschliessen. Als die Kommunisten 1949 die Macht in China übernahmen, war die Schweiz eines der ersten westlichen Länder, das die Volksrepublik China anerkannte. Ziel war es, so schnell wie möglich diplomatische Beziehungen aufzunehmen, um die eigenen Firmen und Wirtschaftsvertreter in China zu schützen.
Die Schweiz war auch das erste Land in Kontinentaleuropa, das vor zehn Jahren ein Freihandelsabkommen mit China abschloss. Warum war auch hier die Schweiz eine Vorreiterin?
Dass die Schweiz zum Zuge kam, lag sicher auch daran, dass sich China wirtschaftlich auf die Schweiz verlassen kann. China weiss, dass wohl auch in Zukunft keine Sanktionen von der Schweiz zu befürchten sind. Die Schweiz hat sich in der Vergangenheit mit Sanktionen zurückgehalten. Weder im Zusammenhang mit dem Massaker von 1989 auf dem Tiananmen-Platz noch mit der Situation der Uiguren in Xinjiang hat die Schweiz Sanktionen gegen China verhängt. Dies wird in China registriert und die Schweizer Wirtschaft kann davon langfristig profitieren.
Nun hat der Nationalrat diese Woche «ja» zur sogenannten «Lex China» gesagt, die ausländischen Investitionen strenger kontrollieren will, damit Energieunternehmen oder Telekomfirmen besser geschützt werden, etwa vor der Übernahme durch staatsnahe chinesische Unternehmen. Geht China noch immer im Westen auf Einkaufstour?
Klar. China hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2025 technologisch mit den meisten westlichen Ländern gleichzuziehen und bis 2049 in verschiedenen Technologien führend zu sein. Um dieses Ziel zu erreichen, benötigt China Technologien, die es heute oft noch nicht hat, und holt sich dafür Wissen aus dem Westen. Der einfachste Weg für China ist, sich das Wissen auf legalem Weg durch Investitionen in die entsprechenden Unternehmen zu beschaffen. Ein anderer Weg ist aber auch, sich das Wissen über wissenschaftliche Kollaborationen oder gemeinsame Forschungsprojekte anzueignen, das findet dann in einem Graubereich statt. Die Universitäten sind heute vorsichtiger geworden.
Auf der anderen Seite will der Bundesrat das Freihandelsabkommen ausweiten, sich also China weiter annähern. Wie abhängig ist die Schweiz wirtschaftlich von China?
Sehr! Die Situation ist aber nicht einfach. Die aktuellen Spannungen zwischen den USA und China oder auch zwischen der EU und China betreffen auch die Schweiz.
Von der Schweiz wird erwartet, dass sie Farbe bekennt.
Von der Schweiz wird erwartet, dass sie Farbe bekennt. Bisher ist es der Schweiz stets gelungen, sich durchzuschlängeln. Ich denke, das wird sie auch in Zukunft tun.
Das Gespräch führte Simone Hulliger.