Die gute Nachricht ist: In vielen Industrieländern werden die Schuldenberge schon wieder etwas kleiner. Vor allem deshalb, weil ihre Wirtschaft sich nach dem Pandemie-Schock des letzten Corona-Jahres wieder erhole, sagt Vitor Gaspar, der Chef der Abteilung Fiskalpolitik beim Währungsfonds.
Die schlechte Nachricht: «In vielen armen Länder der Welt dürften die Schulden hoch bleiben – oder sogar noch wachsen.» Und zwar, weil sie noch mitten in der Coronakrise stecken. Und die wirtschaftliche Erholung auf sich warten lässt.
Die internationale Schuldenstatistik zeigt, dass in neun der 73 ärmsten Länder der Welt die Schulden innerhalb eines Jahres um ein Fünftel gewachsen sind. Was viele überfordert. Viele waren schon vor der Pandemie in schwieriger Lage. Das hat sich durch Corona noch verschärft.
Kristalina Georgiewa, Chefin der globalen Finanzfeuerwehr IWF, hat kurz vor Beginn der Herbsttagung die Alarmglocken geläutet: «Das Schuldenthema ist unglaublich schwierig zu lösen.» Lösungen werden händeringend gesucht. Doch das ist nicht so einfach, weil nicht alle mitziehen. IWF-Manager Gaspar befürchtet bereits, dass die hohen Schulden vielen armen Ländern ab dem nächsten Jahr um die Ohren fliegen.
Denn im Moment müssen arme Länder ihre Kreditzinsen an öffentliche Geldgeber, also Staaten, nicht bezahlen. Doch die Zinsstundung läuft Ende des Jahres aus. Dann müssen sie die Schulden wieder bedienen. Und könnten dadurch in eine viel drastischere Lage kommen als vor der Coronakrise.
Es geht wahnsinnig viel Geld verloren. Dieses Geld könnten die ärmsten Ländern für Sozialprogramme, die Bekämpfung der Coronakrise und die Finanzierung nachhaltiger Entwicklung dringend gebrauchen.
Vielen armen Ländern drohten dann Zahlungsausfälle und akute Schuldenkrisen, sagt Entwicklungsexperte Bodo Ellmers von der Brüsseler Nichtregierungsorganisation Global Policy Forum Europe. Ein weiteres akutes Problem: «Es geht wahnsinnig viel Geld verloren. Dieses Geld könnten die ärmsten Ländern für Sozialprogramme, die Bekämpfung der Coronakrise und die Finanzierung nachhaltiger Entwicklung dringend gebrauchen», sagt der Experte für Entwicklungsfinanzierung.
Private Gläubiger verweigern Kooperation
Tschad, Äthiopien und Sambia können schon jetzt ihre Schulden nicht mehr bezahlen – und es dürften noch mehr werden, befürchtet auch der IWF. Geordnete Schuldenerleichterungen würden ihnen helfen, um Stress auch im globalen Finanzsystem zu vermeiden. Doch bislang fehlt ein globaler Entschuldungsmechanismus.
Vor allem, weil private Gläubiger nicht mitmachen. Sie wollen ihre Kredite nicht freiwillig abschreiben. Um eine Schuldenkrise zu vermeiden, ist der IWF nun verzweifelt auf der Suche nach Geld für arme Länder. Gerade hat der Fonds seine Finanzmittel um 650 Milliarden Dollar aufgestockt. Doch nur ein Bruchteil davon ist in armen Ländern angekommen.
«Die Idee des IWF war, in die Länder Liquidität zu pumpen, die sie am dringendsten brauchen», sagt Ellmers. «Die Liquidität ist aber überwiegend dorthin gegangen, wo sie nicht gebraucht wird.» Nämlich in die reichen Länder. Denn sie sind die grössten Anteilseigner des Währungsfonds und erhalten laut Verteilschlüssel daher auch das meisten Geld aus der milliardenschweren Sonderzuteilung.
Der IWF hat nun reiche Länder wie die Schweiz dazu aufgerufen, ihre Anteile an arme Länder zu verleihen – und ihnen so zu mehr finanziellem Spielraum zu verhelfen. Doch die Bereitschaft ist vor allem in Europa gering. Auch ein vom IWF geplanter 100 Milliarden Dollar schwerer Fonds, der mit den Mitteln gespeist werden, stösst bislang auf wenig Gegenliebe