Am Geld kann es nicht gelegen haben. Rund 8 Millionen Franken hatte Economiesuisse eingesetzt, um die Abzocker-Initiative zu bekämpfen. Mit bescheidenem Resultat: Über zwei Drittel der Stimmbürger sagten im März 2013 Ja zur Volksinitiative «Gegen die Abzockerei».
Nach der verlorenen Abstimmung sah sich Economiesuisse harscher Kritik ausgesetzt (siehe Box). Obwohl Direktor Pascal Gentinetta noch am Abstimmungssonntag sagte, man habe «nichts falsch gemacht», folgte wenige Monate später das Köpfe-Rollen: Sowohl Gentinetta als auch Präsident Rudolf Wehrli nahmen den Hut.
Die Suche nach einer neuen Führung im Sommer 2013 war schwierig, mehrere potenzielle Kandidaten für das Präsidentenamt sagten ab. Kurz vor der Wahl konnte die Findungskommission dann doch noch einen Kandidaten präsentieren: Heinz Karrer, ehemaliger Axpo-Chef. Der Posten der Direktorin blieb gar über ein Jahr leer, bis Monika Rühl im September 2014 übernahm.
Ein Stimmenwirrwarr
Die neue Mannschaft versucht seither, das Image des Dachverbandes wieder aufzupolieren und verlorenes Terrain gutzumachen – mit mässigem Erfolg. Denn das Debakel um die Abzocker-Initiative war lediglich der vorläufige Tiefpunkt einer Entwicklung, die sich schon länger hinzieht. Das Grundproblem: Die Interessen der Economiesuisse-Mitglieder sind je länger, je weniger deckungsgleich.
Das liegt einerseits daran, dass der Verband die unterschiedlichsten Firmen repräsentieren will: vom Familienbetrieb aus dem Emmental bis zum Weltkonzernen Nestlé. Andererseits existieren zwischen den verschiedenen Branchen Interessenskonflikte. In Erinnerung bleibt etwa die Drohung des Schweizer Uhrenverbands, die Mitgliedschaft bei Economiesuisse zu kündigen. Der Streit drehte sich darum, wie gross der Schweizer Wertanteil bei Produkten sein soll, damit sie noch als «Swiss made» verkauft werden dürfen.
Dazu kommt: Selbst innerhalb einer Branche haben die Akteure ganz unterschiedliche Anliegen. Ein Beispiel dafür ist die Schweizerische Bankiervereinigung, deren Mitglieder – Grossbanken, Kantonalbanken, Privatbanken – vor allem seit der Finanzkrise ganz unterschiedliche Strategien verfolgen. All dies macht es schwierig, mit einer Stimme aufzutreten.
Kein Interesse an Schweizer Politik
Rudolf Strahm, alt SP-Nationalrat und ehemaliger Preisüberwacher, sieht noch einen weiteren Grund für die fehlende Einigkeit innerhalb der Wirtschaft: «Wenn Schweizer Konzerne von Ausländern geführt werden, fehlt oft das Interesse für die lokale Politik und die Bereitschaft, eine gemeinsame Position zu suchen.» Diese Entwicklung mache es für Economiesuisse auch schwieriger, Geld für Kampagnen zu sammeln.
Ein Problem sei zudem die politische Zerrissenheit des Verbands, sagt Strahm. «Es findet ein ständiger Richtungsstreit statt zwischen Anhängern des Freisinns und der SVP.» Als Beispiele nennt er die Diskussionen um die Personenfreizügigkeit oder den automatischen Informationsaustausch, den die SVP ablehnt. Wenig förderlich sei auch der ewige Disput zwischen Gewerbeverband und Economiesuisse darüber, wer die Stimme der Wirtschaft vertrete.
«Auf dem hohen Ross»
Auch unter Politikern hat Economiesuisse nicht mehr das Gewicht von einst. SVP-Ständerat Peter Föhn führt das darauf zurück, dass der Verband zu lange nur die Interessen der grossen Firmen – sprich Banken und Pharmaindustrie – vertreten habe. «Economiesuisse sass zu lange auf dem hohen Ross. Und das, obwohl es ja gerade ihre Klientel war, die während der Finanzkrise über die Stränge geschlagen hatte.» Dazu hätten die Mitglieder des Verbands jeweils ihre eigenen Interessen verfolgt, statt sich zu fragen, was dem Wirtschaftsstandort Schweiz nützen würde.
Für FDP-Ständerätin Karin Keller-Sutter gibt es noch einen weiteren Grund, warum der Wirtschaftsverband nicht mehr die gleiche Stellung hat wie früher. «Der Einfluss von Verbänden auf Politiker ist allgemein geringer geworden», sagt Keller-Sutter. Heute kämpften viele Organisationen und Akteure um die Aufmerksamkeit der Politiker, und dies auf einer Vielzahl von Kanälen. Damit nehme der Einfluss der einzelnen Organisationen ab.
Schwierige Ausgangslage
Keine idealen Bedingungen also, um das Steuer herumzureissen. Die Leistung von Präsident Heinz Karrer wird von Politikern denn auch unterschiedlich beurteilt. Einige attestieren ihm, dass der Verband unter seiner Leitung wieder geeinter auftrete und es besser gelinge, die Interessen der gesamten Wirtschaft zu vertreten. Andere sind der Meinung, bei Karrer handle es sich um ein wirtschaftliches Leichtgewicht, der den Turnaround nicht geschafft habe.
Dennoch: Der Abstieg in die Bedeutungslosigkeit steht Economiesuisse nicht bevor. Denn selbst wenn die Organisation nicht mehr die alleinige Deutungshoheit über die Interessen der Schweizer Wirtschaft hat – der Wirtschaftsverband bleibt eine wichtige Stimme in der Schweizer Politiklandschaft.