Fehlende Aufträge, Stellenabbau, Standortschliessungen – steckt die Schweizer Industrie in einer ernsten Krise? Es wird jedenfalls immer deutlicher, wie gross die Abhängigkeit der hiesigen Industriebetriebe von Europa und insbesondere vom schwächelnden Markt in Deutschland ist. Wirtschaftsredaktorin Isabel Pfaff beantwortet die wichtigsten Fragen.
Wie geht es der Schweizer Industrie momentan?
Sie ist unter Druck. Gerade präsentieren viele Unternehmen ihre Jahreszahlen für 2024, und dabei zeigt sich: Sie verzeichnen geringere Umsätze, sinkende Margen und weniger Aufträge. Weite Teile der Schweizer Industrie treten also auf der Stelle, und was die Zukunft angeht, sind viele Firmen eher pessimistisch. Ein paar Beispiele aus den vergangenen Wochen: Der Schwyzer Maschinenbaukonzern Oerlikon meldete für 2024 einen um 12 Prozent geschrumpften Umsatz und weniger Aufträge. Beim Komponenten- und Gehäusehersteller Phoenix Mecano aus Schaffhausen brach der Gewinn um ein Fünftel ein. Ganz schlimm kam es für den Autozulieferer Mubea in Arbon, wo es voraussichtlich zu einem Abbau von bis zu 130 Stellen kommt, und für den Verpackungsspezialisten Hoffmann Neopac in Thun, der seine Dosensparte verkauft und damit den Thuner Standort schliesst.
Wie sehen die Branchenverbände die Lage?
Sie zeigen sich ziemlich besorgt. Jean-Philippe Kohl von Swissmem, dem Verband, der Firmen aus der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie vertritt, sagt: «Die Stimmung ist wirklich nicht zum Besten. Vor allem, weil die Durststrecke schon etwas länger anhält. Es dümpelt einfach vor sich hin.» Ähnlich pessimistisch klingt es beim Industrieverband Swissmechanic, der vor allem für kleine und mittlere Unternehmen spricht. Die Verbandsmitglieder würden von Rückgängen beim Umsatz, bei Aufträgen und auch immer öfter von Kurzarbeit berichten, schreibt eine Sprecherin.
Was sind die Ursachen für die schwierige Phase?
Der wichtigste Grund liegt im europäischen und vor allem im deutschen Markt. Da herrscht Rezession und eine grosse Unsicherheit – eine Stimmung, die die Schweizer Industrie besonders trifft. «Wir sind ja Lieferanten von Investitionsgütern», erklärt Jean-Philippe Kohl von Swissmem, «wir verkaufen Maschinen, Komponenten und Technologien». Doch wo Unsicherheit herrscht, zögern Firmen mit teuren Investitionen. Die Exportzahlen seiner Branche für Deutschland, sagt Kohl, seien in den ersten drei Quartalen 2024 um rund acht Prozent zurückgegangen. Im gesamten Europa betrage der Rückgang mehr als sechs Prozent.
Wird sich die Lage demnächst wieder bessern?
Es gibt durchaus Schweizer Unternehmen, die mit einer konjunkturellen Erholung im kommenden Jahr rechnen. Auch der Verband Swissmechanic hält eine Verbesserung in der zweiten Jahreshälfte für möglich, wenn sich die globalen Märkte bis dahin beruhigt haben. Swissmem setzt zudem Hoffnungen auf einen Regierungswechsel in Deutschland und auf Reformen, die dort die Wirtschaft wieder ankurbeln könnten. Ein grosser Unsicherheitsfaktor bleiben aber die USA – ein Markt, wo es für Schweizer Industriebetriebe eigentlich gerade gut läuft. Doch die Zolldrohungen der Trump-Administration trüben auch dort die Aussichten ein. Die Zeiten bleiben vorerst unsicher für die Schweizer Industrie.