Ingo Schulz arbeitet gerne auf dem Bau, aber: «In den letzten Jahren hat der Zeitdruck enorm zugenommen», sagt der hagere Mann mit dem wettergegerbten Gesicht. Er stapelt noch ein paar letzte Pflastersteine, dann ist Feierabend.
Im Moment arbeitet er an einem «Carport», wie er das nennt, einem Autounterstand eines Einfamilienhauses in Aarberg. Früher wären sie zu viert auf dieser Baustelle gewesen, heute sollten sie die gleiche Arbeit in derselben Zeit zu zweit erledigen.
Der Maschinist und Handlanger mag die Arbeit auf dem Bau. «Meine Mädchen-für-Alles-Tätigkeit ist sehr abwechslungsreich und ich arbeite gerne draussen.» Seit 17 Jahren arbeitet er auf Schweizer Baustellen, seit 14 für denselben Arbeitgeber. Eigentlich sei er ganz zufrieden, aber die Arbeitsbelastung sei enorm, sagt er.
Noch mehr arbeiten im Sommer ist körperlich nicht möglich. Das hält keiner durch.
«Es ist schwieriger geworden, gute Leute zu finden, und das hängt direkt mit den langen Arbeitstagen zusammen», sagt Schulz. «In den Sommermonaten wird besonders viel gearbeitet, 10- oder 11-Stundentage sind die Regel.» Das schrecke viele junge Leute ab, auf die man dringend angewiesen sei.
Bauarbeiter gehen auf die Strasse
Wenig förderlich seien auch die Diskussionen rund um die Verhandlungen um einen neuen Landesmantelvertrag. Kurzfristige Planung, kürzere Kündigungsfristen, tiefere Löhne für ältere Bauarbeiter, sowie längere Arbeitstage im Sommer würden bei den Bauarbeitern nicht gut ankommen: «Noch mehr arbeiten im Sommer ist körperlich nicht möglich. Das hält niemand durch.»
Gegen diese Forderungen mobilisieren die Gewerkschaften. In den vergangenen Wochen haben tausende Bauarbeiter protestiert, zuletzt am Freitag in Zürich. Unter ihnen ein 34-jähriger Vorarbeiter, der nicht mit Namen genannt werden möchte: «Wir protestieren für unsere Zukunft, für einen Landesmantelvertrag und damit eine geregelte Arbeitszeit.» Zudem möchten sie ein bisschen mehr Freizeit und Zeit mit der Familie.
Geplant werden heute maximal 9-Stundentage. Und bereits das gibt im Sommer sehr lange Tage: «Ich stehe um 5:30 auf, gehe um 6:00 aus dem Haus und bin erst 13 Stunden später wieder zurück.» Mehr liege nicht drin, findet der Vorarbeiter. Für ihn wäre das ein Grund, die Branche zu wechseln, denn er ist verheiratet und möchte gerne bald Kinder und auch Zeit mit diesen verbringen. Familie sei für ihn das wichtigste.
Offene Verhandlungsrunde
Familien seien ebenso auf Planung angewiesen wie die Baumeister, findet er und die Gewerkschaften. Weiter fordern sie kürzere statt längere Arbeitstage, mehr Lohn und eine volle Entschädigung der Reisezeit. Und das lautstark.
Der Katalog der Forderungen ist lang und die Positionen der Gewerkschaften und der Baumeister in einigen Punkten weit auseinander. Ob sich die beiden Seiten in dieser siebten Verhandlungsrunde einigen können, ist völlig offen.