Die globalisierte Wirtschaft hat seit Monaten grosse Probleme. So sind etwa viele Lieferketten unterbrochen. Die Autoindustrie spürt das ganz besonders. Sie bezieht ihre Bauteile auf der ganzen Welt. Ein betroffenes Unternehmen ist der deutsche Zulieferer ZF. Chef Wolf-Henning Scheider spricht über Probleme und Lösungen.
SRF News: Wie ist die aktuelle Lage?
Wolf-Henning Scheider: Die weltweiten Lieferketten sind durch verschiedene Anlässe völlig durcheinandergeraten. Das hat uns in den letzten zwei Jahren sehr viel Kopfzerbrechen bereitet. Die Halbleiter haben zum Beispiel die Lieferketten unterbrochen. Dazu kommt eine grosse Logistikstörung, wie letztes Jahr mit dem Schiff im Suezkanal. Daher können einige Teile nicht richtig ankommen.
Ich sehe nicht eine grundsätzliche Abkehr vom Prinzip einer sehr effizienten Logistik.
Ich sehe aber nicht eine grundsätzliche Abkehr von diesem Prinzip einer sehr effizienten Logistik. Denn letztendlich hat das dazu geführt, dass man sehr hochwertige Fahrzeuge auch preiswert anbieten kann. Und man kann ja nicht alles in Preiserhöhungen umsetzen. Das wird der Verbraucher auch nicht goutieren.
Bleiben wir bei den Lieferketten. Was ist für Sie aktuell das Problem? Sind es die stillstehenden Fabriken? Oder dass die Teile gar nicht bis zu den Zulieferbetrieben kommen, die sie dann auch wieder weiterverarbeiten können?
Es kommen mehrere Effekte gleichzeitig zusammen. Und das ist die grosse Herausforderung, die wir in der Branche in Jahrzehnten so nicht erlebt haben. Ein Punkt sind die Halbleiter, die Chips. Die haben durch Homeoffice und neue Technologien so viel Bedarf bekommen, dass die Zulieferer-Werke völlig ausgelastet waren.
Wir müssen täglich umplanen, um die Werke am Laufen zu halten.
Das zweite ist der Krieg in der Ukraine. Das hat bestimmte Zulieferer-Betriebe behindert. Die laufen inzwischen zum grossen Teil wieder. Aber das hat eine weitere Störung gebracht. Und der dritte massive Effekt ist die Covid-Situation in China. Die führt dazu, dass Schiffe nicht abgefertigt werden, LKWs in China nicht fahren und deswegen Teile aus dieser Region fehlen. Damit sind wir im ständigen Optimierungsmodus und müssen täglich umplanen, um die Werke am Laufen zu halten.
In der Autobranche, in der Autozulieferer-Branche insbesondere, gab es einen extremen Preisdruck. Ist der Preis jetzt vielleicht nicht mehr ganz entscheidend, auch zugunsten der Verfügbarkeit von Bauteilen?
Natürlich spielt das eine Rolle. Grundsätzlich werden die Preise sich in den nächsten Monaten verändern. Das tun sie jetzt schon. Sie hören von Fahrzeugherstellern, dass die Preise teilweise deutlich steigen. Wir als Zulieferer müssen das auch tun. Da spielt zum einen die Lieferfähigkeit eine Rolle, aber natürlich auch die Inflation. Kräftige Preiserhöhungen sind für die Branche eine neue Erfahrung. Und gerade für uns Zulieferer ist es im Moment das Hauptthema.
Einige Unternehmen in den USA können die Preiserhöhungen nicht mehr weitergeben. Wie schaut es bei Ihnen aktuell aus?
Wir müssen es. Es gibt die Energiepreiserhöhungen und die Materialpreiserhöhungen. Allein die Inflation übersteigt die gesamten Erträge, die wir in den letzten Jahren jährlich erreicht haben. Wenn wir nicht in die Preiserhöhung gehen würden, wäre der Ertrag weg. Das würde das Unternehmen gefährden. Insofern geht es nicht ohne die Preiserhöhungen. Das ist nicht einfach. Es braucht sehr viele Gespräche. Aber es geht kein Weg dran vorbei. Ich sehe uns auch gesamt als Branche auf diesem Pfad.
Das Gespräch führte Matthias Heim.