Höhepunkt: Anderson .Paak & The Free Nationals
Was der Kalifornier macht, hat Hand, Fuss, Herz und Seele. Der Sänger, Rapper, Schlagzeuger und Produzent kann, so scheint es, alles – macht aber nur, was passt. Dabei entsteht eine höchst attraktive Mixtur aus jazzigem Soul, R&B, Funk und Hip Hop mit unglaublichem Popappeal. Ein Riesen-Talent mit einer brillanten Band, für den sich am Openair Gampel leider viel zu wenige Leute interessierten.
Tiefpunkt: Capital Bra
Der zurzeit erfolgreichste deutsche Rapper enttäuschte im Wallis mit einem lauwarmen und äusserst uninspirierten Auftritt. Das war das Gegenteil von Abriss und hatte ich so nicht erwartet. Ich war ein bisschen enttäuscht.
Anmerkung: Capital Bra stand für diesen Auftritt aus technischer Sicht nicht alles so zur Verfügung, wie er es für die geplante Show benötigt hätte. «Konkret ging es um eine LED-Leinwand, die nicht funktionierte» bestätigt der Medienchef des Openair Gampel Olivier Imboden.
Superpunkt: Stefanie Heinzmann
Nach ein paar Takten hatte ich beim Auftritt von Stefanie Heinzmann Hühnerhaut und Tränen in den Augen. Das war ein intimer Moment. Emotional komplett ungeschützt aber extrem stark betrat Heinzmann die Bühne und sang mit offenem Herzen in ihre Heimat hinaus. Ein wunderbares und hochemotionales Gastspiel. Das war die berührendste Stefanie Heinzmann, die ich je gesehen habe.
Glanzpunkt: Lo & Leduc
Gampel war laut beim Auftritt der Berner. Lo & Leduc lieferten ein energiegeladenes und wohl für alle viel zu kurzes Konzert. Immer wieder beeindruckend: Diese Show braucht keine Anlaufzeit. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass sich die beiden nicht an ihren Erfolg gewöhnen wollen. Sie wissen ganz genau, dass die Bühne nur ein spezieller Platz bleibt, wenn man darauf auftritt und nicht damit anfängt auf ihr einfach einen Job zu erledigen.
Treffpunkt: Bonez MC & RAF Camora
Wann kommt in Gampel richtig Festivalstimmung auf? Zum Beispiel wenn Bonez MC und RAF Camora auf der Bühne stehen. Dann surfen Plastikpalmen über die Crowd und schnell wird klar: Die Faszination ihres musikalischen Spagats zwischen Dancehall und Gangsta-Rap hat ihre Wirkung noch nicht verloren. Gampel wollte diese beiden Herren sehen und hat sie und ihre Songs gefeiert.
Power-Punkt: Parkway Drive
Abdrücken sagt man dem, was die australische Metalcore-Band am Freitagabend am Openair Gampel tat. Aber so richtig. Sie schmetterten im Wallis ihre melodiösen Maschinengewehr-Tracks übers Gelände und lösten damit vor der Bühne einen energietechnischen Bumerang aus. So liefert man einen druckvollen Festivalauftritt ab.
Sammelpunkt: Ziggy Marley
Bob Marleys Sohn spielte am Openair Gampel einen soliden und äusserst sympathischen Gig. Der Mann kann immer noch singen, die Band ist stabil und verbreitet gute Vibes. Sowohl mit seinen eigenen, wie auch den grossen Songs seines Vaters. Unbestritten eine runde Sache. Ich glaube aber nicht, dass die Festivals Ziggy immer noch auf die grossen Bühnen buchen würden, hätte er einen anderen Familiennamen.
Elfmeterpunkt: Kunz
Wie schafft es der Luzerner Kunz als erster Act auf der Hauptbühne am frühen Nachmittag die Massen zu mobilisieren? Ganz einfach: Er hat genau das Songmaterial und die dazugehörige Attitüde, die an Openairs für Festzelt-Atmosphäre sorgen. Sein Mundart-Pop, der keine Berührungsängste zur Schlagerwelt kennt, wurde auch im Wallis euphorisch gefeiert. Was mir bei Kunz etwas fehlt, ist die Tiefe. An Breite fehlt es dieser Kiste nicht.
Wendepunkt: Stress
Verglichen mit seinem Auftritt am Openair Lumnezia, bei welchem Stress verzweifelt probierte Energie in seine Show zu pumpen und sie aufs Publikum zu übertragen, war seine Show in Gampel richtig gut. Was bleibt sind gewisse Intonationsprobleme im stimmlichen Bereich. Ansonsten aber lieferte Stress eine sichere und energiegeladene Performance ab, die von Gampel gefeiert wurde.
Cooler Punkt: KT Gorique
Die 28-jährige Walliserin strotzt nur so vor Energie. Sie rappt virtuos und präzise und peitscht ihre Performance beeindruckend nach vorne. Als Eröffnungs-Act am Donnerstagnachmittag erreichte KT Gorique natürlich nicht die Massen. Was da von der Bühne kam war aber sauber, cool und enorm engagiert.
Kein Punkt: Yonaka
Die britische Rockband um Sängerin Theresa Jarvis hinterliess keine gute Visitenkarte am Openair Gampel. Die Attitüde wirkte künstlich, Jarvis traf mit ihrer charakterlosen Stimme viel zu viele Töne nicht und von Überzeugung ihres eigenen Produktes spürte ich von dieser Band gar nichts. Ein Auftritt, wenn nicht sogar eine Band, zum Vergessen.
Orientierungspunkt: IDKHOW
Das Indie-Pop-Duo aus Salt Lake City fällt mit vielen musikalischen 80er-Referenzen auf. Tolle Songs von zwei versierten Musikern. Allerdings schreien die Arrangements nach einer grossen Live-Band. Als Duo konnten sie mit ihrer Performance in Gampel leider nicht gross punkten. Ach ja. Das Kürzel steht übrigens für «I Don’t Know How But They Found Me».
Zusatzpunkt: Ghostmane
Was der Kalifornier Ghostmane auf die Bühne bringt, ist nicht ganz einfach zu umschreiben. Da jagt der Trap den Black Metal und explodiert ein paar Momente später in einer Art Horrorcore-Death-Metal-Fusion, die sich dann aber auch wieder wandelt, bevor sie probiert, eine eigentliche Form zu finden. Ein ziemlich wilder Ritt. Vor allem aber arbeitet diese Band mit einem enorm breiten Musikverständnis und probiert ganz eigene Wege zu gehen. Cool.
Pluspunkt: Royal Republic
Wie klingt eine satte, witzige und auf den Punkt gespielte Festival-Rock-Show? Die Antwort lieferten am Openair Gampel Royal Republic. Die Schweden sind präzise und liefern Song für Song mit einer unglaublichen Coolness ab. Das eine oder andere Publikumsspielchen dürfte die Band für meinen Geschmack auch gerne durch einen weiteren Song ersetzen. Sonst gibt es da aber nichts zu meckern.
Schöner Punkt: Mini Mansions
Eine Freude war der Auftritt der kalifornischen Mini Mansions. Die Band von Queens Of The Stone Age-Bassist Michael Shumann überzeugt vor allem durch ihr grossartiges Songwriting. Im Live-Betrieb dieser Band, die uns an gewissen Stellen sogar sanft an eine ungeschliffene Version der späten Beatles erinnert, ist zwar noch Luft nach oben - ein toller Moment war dieser Auftritt aber trotzdem.
Farbpunkt: Nova Twins
Die britische Band aus Essex ist eine von vielen aktuellen Bands, die sich nicht mehr um musikalische Genres kümmern. Es ist die Weiterführung der Crossover-Kultur und das machen Nova Twins unglaublich stilsicher. Sie selbst sprechen von «Urban Punk» und die Eckpfeiler dazu sind aus Grime, Punk und Hip Hop gebaut. Am Openair Gampel gaben sie eine tolle Show vor geschätzt 50 Interessierten.
Streitpunkt: Alligatoah
Das Hip Hop-Musical (oder ist es Musical-Hip Hop?) von Alligatoah fand sein Publikum am Openair Gampel. Clever gemacht und gut performt. Weil ich bei zu lustiger Musik und beim Anblick von Musical-Bühnenbildern instinktiv die Flucht ergreife, werde ich wohl nie erfahren, wie es sich anfühlt eine solche Show richtig zu geniessen.
Siedepunkt: Yung Hurn
Was der Wiener Rapper am diesjährigen Openair St. Gallen nicht hingekriegt hat, fiel ihm in Gampel einiges leichter: Leute für sich und seine Show zu gewinnen. Hurn hatte Bock auf Gampel und Gampel liess sich auf Hurn ein. Vor der Bühne feierte das Wallis den Dada-Trap und Cloud-Rap des Österreichers ordentlich ab.
Überraschungspunkt: Die Partykracher
Das DJ-Duo kam, sah und zündete Konfetti-Kanonen an unkonventionellen Stellen. Ihre Outfits waren perfekt auf ihre Setlist abgestimmt. Alles andere erzählt das Video zur Festival-Challenge von unserem SRF 3-Festival-Duo Rika Brune und Julian Thorner.
Entwicklungspunkt: The Rising Lights
Das Thurgauer Trio ist noch auf der Suche nach dem gewissen Etwas. Dem Ding eben, das eine Band, die man unbedingt sehen möchte, von Leuten mit umgehängten Instrumenten unterscheidet. Sie wollen. Das spürt man. Ob sie einen Plan haben um sich als Band unverwechselbar zu machen, werden die nächsten Jahre zeigen.
Knackpunkt: Dendemann
Weiss heute noch irgendwer, wer Dendemann ist? Am Openair Gampel löste dieser Name und leider auch das Konzert nicht mehr viel aus. Richtig traurig war es, diesen grossartigen Rapper mit seiner satten Band vor einer Handvoll halb motivierter Zuschauer zu sehen. Diesen Act hätte man sich sparen können. Und das liegt definitiv nicht an den Live-Qualitäten von Dendemann.
Anziehungspunkt: Sunrise Avenue
Die finnische Band um Sänger und Frauenschwarm Samu Haber feierte ihren Tour-Abschluss am Openair Gampel. Das, und überhaupt diese Band, wollten alle sehen. Die eingängigen Popsongs und die Ausstrahlung des Frontmanns, verziehen dabei vieles. Auch, dass Haber alles andere als ein guter Sänger ist. Er ist einer der Beweise dafür, dass es im Pop um mehr geht als nur um Musik. Gampel war glücklich.
Die Konzerte vom Sonntag konnten leider nicht berücksichtigt werden. SRF 3 war am Sonntag nicht vor Ort.