Höhepunkt: Hecht
Sie waren die Platzhirsche und Publikumslieblinge des letzten Festivalsommers. Am Openair Lumnezia bewiesen Hecht eindrücklich, dass sie mit Freude dabei sind, auf dieser Welle weiterzusurfen. Dankbar und mit einem breiten Grinsen genoss die Band, die im Oktober im ausverkauften Hallenstadion spielen wird, ihren Auftritt und ihre Fans. Das war das Konzert, das jeder und jede sehen wollte. Und wer es gesehen hat, weiss, wieso. Hecht sind echt und immer noch hungrig. Grossartig!
Tiefpunkt: Limp Bizkit
Würden Limp Bizkit einfach ihr Erbe verwalten, wäre das eine Sache. Die Band aus Florida verpasste es aber, das Potenzial ihrer grossen Hits auszuschlachten. Wissentlich und hochfrustriert zerstörten sie auf der Bühne ihren eigenen musikalischen Nachlass. Zwar liessen sie immer wieder kurz aufblitzen, wozu sie auch heute noch im Stande wären, warfen aber zu oft das Handtuch, wenn sie hätten steil gehen können. Sorry. Das war keine Show. Das war Dreck.
Knackpunkt: Stress
Stress steckt in einer Krise. Zwar rackert er sich auf der Bühne ab wie eh und je und kriegt dadurch auch eine gewisse Energie hin, welche sich auf sein Publikum überträgt. Irgendetwas stimmt aber nicht mit dieser Energie, denn sie bricht augenblicklich zusammen, wenn Stress die Peitsche aus der Hand gibt. Früher resultierten aus dieser Energie Explosionen, und sie konnte Stimmungen tragen und Konzerte zum Sieden bringen. Als würde er seine Songs nicht mehr spüren, probiert er verzweifelt und relativ erfolglos, an die Figur und deren Ausstrahlung heranzukommen, die er einmal war und welche er einmal hatte.
Cooler Punkt: Baschi
Baschi kam, sah und feierte seine Hits. Er überzeugte das Publikum am Openair Lumnezia durch einen kraftvoll nach vorne gespielten Auftritt voller Freude und einer guten Portion Ironie. Seine präzise und virtuose Band trug Baschi sicher durch das Repertoire. Was ihm immer noch fehlt sind neue grosse Songs. Dafür hat er seine alten Hits und die richtige Attitüde, um einen coolen Festival-Auftritt zu bestreiten.
Streitpunkt: SDP
Was klingt wie die Abkürzung einer politischen Partei, ist die Abkürzung von «Stonedeafproduction», einem Spass-Pop-Duo mit Hip Hop-Elementen aus Berlin. Das Openair Lumnezia empfing SDP mit offenen Armen und feierte ein grosses Fest. Meine Party war das nicht. SDP wären gerne ein bisschen die Ärzte, ein bisschen Seeed und etwas Sportfreunde Stiller. Dazu haben sie auf dem Reissbrett ihre Band und die Songs dazu entworfen. Das Beste daran: Es geht vorbei.
Pluspunkt: Loco Escrito
Am Selbstvertrauen muss der Zürcher nicht arbeiten. Er tritt auf wie ein grosser Star. An seinen Vocals arbeitete er offenbar intensiv. Seine stimmliche Leistung ist auf einem klar anderen Niveau als noch vor einem Jahr. Luft nach oben gibt es bei Loco Escrito aber im Umgang mit seinen Emotionen. So liess er sich durch einen Aschenbecher, der offenbar auf der Bühne landete, und eine durch die Luft fliegende Pet-Flasche zu überheblichen Sprüchen hinreissen. Das hilft der Party, die er feiern möchte, nicht unbedingt. Klar ist aber: Loco Escritos Fan-Gemeinde wächst.
Wichtiger Punkt: Mando Diao
Was ist der wichtigste Faktor, der über die Qualität eines Mando Diao-Konzerts entscheidet? Ich sage: Der Jahrgang. Bis ca. 2012 waren sie heiss. 2015 kam der Bruch mit Gustaf Norén. Ein Verlust, den Mando Diao bis heute nicht ganz wettmachen konnten. Seither gilt es, mit ihrem Weltklasse-Songmaterial gut aufzutreten. Am Openair Lumnezia gelang ihnen ein amtlicher bis wirklich guter Auftritt, der die unbestrittene Live-Stärke der Schweden immer mal wieder aufblitzen liess.
Orientierungspunkt: Steiner & Madlaina
Was bei Sophie Hunger problemlos klappt, wirkt für mich bei Steiner & Madlaina als Stolperstein. Sie singen englisch, deutsch und in Mundart und wirken dabei wie drei verschiedene Bands. Auch verpassen sie es, das Openair-Publikum mit cleveren Ansagen an ihre Songs heranzuführen. Schade. Denn das Zürcher-Duo hat durchaus ein paar attraktive Nummern im Repertoire.
Farbpunkt: Von wegen Lisbeth
Wäre die Berliner Indie-Pop-Band bei uns etwas bekannter, wären sie von Anfang an auf grössere Resonanz gestossen, als dies am Openair Lumnezia der Fall war. Ihr Sound ist frisch, ihre Arrangements dem leichtfüssigen Pop verfallen und die Texte haben Witz und Mitsing-Potenzial. Ein sehr cooler Festival-Act, der das Publikum gegen Ende der Show richtig mitreissen konnte.
Treffpunkt: Saint City Orchestra
Das St. Galler Saint City Orchestra spielte am Freitagnachmittag mit ihrem Folk-Punk auf. Ihre Schludder-Attitüde war besser als der musikalische Auftritt. Die Stimmung: Anfangs irgendwo dazwischen – am Schluss: ziemlich gut.
Sympathie-Punkt: Hedgehog
Mit vielen positiven Vibes genoss Hedgehog sein Heimspiel, als er am Samstagnachmittag den letzten Tag des Openair Lumnezia eröffnete. Sein Motto: Gut ist, was Freude macht. Sein musikalischer Ansatz ist zwar etwas verstaubt – seine Performance aber erfrischend und glaubwürdig.
Programmpunkt: The Gardener & The Tree
Die Schaffhauser Band knüpft mit ihren Festivalauftritten da an, wo sie letzte Saison aufgehört haben. Sie vertrauen auf die Wirkung von Manuel Felders Stimme und eine handvoll inzwischen bekannter Melodien. Ihr Auftritt am Openair Lumnezia war solid, aber nicht sehr prickelnd. Ich bin gespannt, wie sich diese Band weiterentwickelt.
Schlusspunkt: Cro
Nicht jeder wäre nach dem grandiosen Konzert von Hecht als letzter Act am Openair Lumnezia so cool auf die Bühne gehüpft, wie der Rapper mit der Panda-Maske es tat. Aufgeführt wurde eine abgeklärte, locker wirkende und hochprofessionelle Show.