In der Schweiz sind laut «Alzheimer Schweiz» rund 153'000 Menschen an Demenz erkrankt. Tendenz steigend. Beeinträchtigungen des Gehirns führen dazu, dass Betroffene allmählich ihre kognitiven, aber auch motorischen Fähigkeiten verlieren.
Alltägliche Situationen wie sich anziehen oder mit Besteck essen kann so zum Kraftakt werden. Das kann Frustration auslösen, worauf Betroffene mit teils heftigen Emotionen reagieren wie Wut, Trauer oder Resignation. Für Angehörige kann es zur Herausforderung werden, angemessen auf Verhaltensweisen von Erkrankten zu reagieren, die für Gesunde nur schwer nachvollziehbar sind.
Herausforderungen selbst erleben
Wie es sich anfühlen kann, mit einer Demenzerkrankung leben zu müssen, ist dank eines zu diesem Zweck konzipierten Demenzsimulators erlebbar. An 13 Posten lässt sich an eigenem Leib erfahren, was die Krankheit auslösen kann und wie es sich anfühlt, wenn alltägliche Situationen wie sich anziehen oder essen mit Besteck plötzlich zum Kraftakt werden.
Ziel des Demenzsimulators ist es, das Scheitern zu erleben und mit der Gefühlspalette vertraut zu werden. Unter erschwerten Bedingungen versucht verschiedene Alltagssituationen zu meistern: das Anziehen eines Hemdes mit groben Gartenhandschuhen oder das Aufschaufeln von Papierkügelchen auf eine Gabel. Dabei stösst man schnell an seine Grenzen, wird wütend, kommt ins Schwitzen oder gibt auf.
So geht es auch Menschen mit Demenz. Die Frustration kann sich unterschiedlich äussern. Die einen werden wütend, die anderen traurig, und wieder andere resignieren oder schämen sich. Dies kann auch dazu führen, dass sich demente Menschen zurückziehen. Dem will die reformierte Kirchgemeinde des Kantons St. Gallen entgegenwirken. «Wir möchten, dass bei uns jede und jeder willkommen ist – mit und ohne Demenz», sagt Maya Hauri Thoma von der Fachstelle für Hochaltrigkeit und Demenz.
Verständnis fördern
Die Reformierte Kirche des Kantons St. Gallen verleiht diesen Demenzsimulator an Kirchgemeinden und andere Organisationen. Maya Hauri Thoma betreut den Demenzsimulator in der Kirchgemeinde und erlebt die Reaktionen der Besucherinnen und Besucher mit. «Viele sagen, dass sie erst jetzt richtig verstehen, womit ihre demenzkranken Angehörigen zu kämpfen haben», berichtet sie. Eine Frau habe nach dem Durchlaufen des Parcours gesagt, sie verstehe jetzt, weshalb ihr Mann den Salat mit den Händen esse.
«Dadurch, dass man beim Absolvieren des Parcours selbst erlebt, mit welchen Herausforderungen Demenzkranke tagtäglich konfrontiert sein können und welche Gefühle das auslöst, kann das Verständnis gefördert werden», ist Maya Hauri Thoma überzeugt. Das sei effektiver als nur darüber zu lesen oder zu hören. «Je grösser das Verständnis für die Situation der Betroffenen ist, desto einfacher wird es für alle», das ihre Hoffnung.