Das ist passiert: Monatelang erhält der Modellflugladen «Aviation Market» in Bülach ZH von der Post keine Post mehr. Grund: Die Post hat im Hintergrund fälschlicherweise die Adresse deaktiviert. Ohne Vorwarnung. Da Zeitungen, Werbung und Paketlieferungen von Kurierdiensten weiterhin eintreffen, fällt es Inhaber This Wolfensberger lange nicht auf.
Als die Post den Fehler behebt, ist es schon zu spät. Jetzt treffen all die angestauten Rechnungen und Mahnungen ein. Das KMU gilt nun als unzuverlässiger Zahler. Und weil wegen der Post-Panne eine grosse Lieferung in China liegenbleibt, wechseln einige Kunden zur Konkurrenz. Die Folge: Ein Umsatzeinbruch und ein finanzieller Schaden von mindestens 20'000 Franken, wie Wolfensberger schätzt. Die Post bietet ihm «aus grosszügiger Kulanz» 1500 Franken an. Der Kunde hält das Angebot für «lächerlich». Als sich das SRF-Konsumentenmagazin «Espresso» einschaltet, verspricht die Post, man schaue sich den Fall doch noch einmal an.
So geht die Geschichte weiter: Die Post erhöht ihr Angebot. «Aufgrund der eingereichten Belege konnten wir etwas besser nachvollziehen, welche Unannehmlichkeiten der Kunde hatte», sagt Post-Mediensprecherin Silvana Grellmann auf Nachfrage von «Espresso». Über die Höhe der neuen «Kulanz» – wie es die Post nennt – wurde Stillschweigen vereinbart.
Wolfensberger sagt, er werde das akzeptieren, aber nur zähneknirschend: «Auch diese Summe deckt den Schaden, den ich erlitten habe, bei Weitem nicht ab.» Die Zukunft des Ladens bleibt ungewiss, es droht der Ruin. «Dabei bin ich ja nicht schuld daran, dass der Briefkasten geschlossen wurde. Das Ganze ist extrem frustrierend für mich», lautet die bittere Bilanz des KMU-Inhabers.
Kein Einzelfall: Nach dem Beitrag meldet sich ein halbes Dutzend weitere Betroffene. Ein Therapeut aus Basel, zum Beispiel. Er habe sich schon länger darüber Gedanken gemacht, ob wohl etwas mit der Briefpost nicht Ordnung sei. «Wie ich den Beitrag gehört habe, bin ich auf die Post zugegangen.» Und tatsächlich: Seine Praxisadresse war in der Datenbank der Post inexistent. «Eine sehr unangenehme Situation», sagt der Therapeut.
Der Inhaber einer Softwarefirma in Lenzburg hat es auch erlebt. Auch ihm ist das Problem erst nach längerer Zeit aufgefallen. Nach mehrmaligem Nachhaken habe ihm die Post mitgeteilt, dass seine Adresse aus unbekannten Gründen auf inaktiv gestellt worden sei. Oder eine Postkundin aus Zug: «Ich fiel aus allen Wolken, als mein Garagist mich telefonisch anfragte, ob ich umgezogen sei.» Eine Rechnung an sie sei mit dem Vermerk «Adressat unbekannt» zurückgekommen. Zum Glück hatte die Post-Panne in diesen Fällen keine so gravierenden Folgen wie beim KMU in Bülach.
So reagiert die Post: Mehrere Fälle von gültigen Adressen, die deaktiviert wurden – ist in der Adressdatenbank der Post etwa der Wurm drin? «Nein, es gibt keinen Systemfehler», sagt Mediensprecherin Silvana Grellmann. Die Adressdatenbank der Post umfasse etwa 12 Millionen Adressen. Sie werde von rund 12'000 Pöstlerinnen und Pöstlern bewirtschaftet.
Die Post deaktiviere Adressen dann, wenn Mitarbeitende feststellen würden, dass ein Briefkasten nicht mehr angeschrieben ist. «Leider lassen sich trotz aller Sorgfalt Fehler nicht ausschliessen», so die Mediensprecherin. Und wenn eine gültige Adresse deaktiviert werde, dann sei das ein Fehler. Glücklicherweise gebe es nur wenige solche Fälle pro Jahr.