Was ist passiert? Die Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich hat Anklage gegen zwei Verantwortliche der IV-Gutachterfirma PMEDA erhoben. Es handelt sich um einen Psychiater und den PMEDA-Chef. Der Vorwurf: Betrug und Urkundenfälschung. In der Anklageschrift – sie liegt dem SRF-Konsumentenmagazin «Espresso» vor – wird den beiden unter anderem vorgeworfen, dass ihre Arbeit im Rahmen der psychiatrischen Begutachtung eines Patienten «in keiner Weise genügte» und Falschaussagen beinhalte. Für die beiden Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.
Um was für ein Gutachten geht es? Es geht um ein Gutachten, ob der Patient eine IV-Rente erhalten soll oder nicht. Eine IV-Rente und Taggeldzahlungen hängen von einem solchen medizinischen Gutachten ab. Die Zürcher Firma PMEDA hat einen ehemaligen Swisscom-Kadermann Ende 2013 als zu 100 Prozent arbeitsfähig eingestuft. Gemäss der Anklageschrift geschah dies wider besseres Wissen. Der Mann litt unter schweren psychischen und gesundheitlichen Problemen.
Im «Kassensturz» haben er und andere Betroffene ihre Geschichten erzählt:
Welche Strafen fordert die Staatsanwaltschaft? Eine Freiheitsstrafe von drei Jahren für den verantwortlichen Gutachter, davon ein Jahr im Gefängnis und zwei Jahre bedingt. Der ehemalige PMEDA-Chef soll zwei Jahre bedingt erhalten. Beide sollen unter anderem auch mit einem Tätigkeitsverbot belegt und des Landes verwiesen werden.
Wie reagieren die Beschuldigten? Einer der Beschuldigten – der in diesem Fall zuständige Gutachter – weist in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber SRF darauf hin, dass es auch in einem psychiatrischen Gutachten zu Ungenauigkeiten oder zu Versehen kommen könne. «Ausschliessen kann ich aber mit Sicherheit, dass ich jemals bewusst falsche Angaben in Gutachten gemacht, etwas verschwiegen oder ein Gefälligkeitsgutachten verfasst haben soll, wie es mir der Anzeigeerstatter vorwirft.» Der PMEDA-Chef hat nicht auf die Anfrage reagiert.
Wie reagiert der betroffene Patient? 2018 hat er die Strafanzeige eingereicht. Er hofft, dass es nun möglichst schnell zu einem Urteil kommt. Der Mann macht sich aber auch keine Illusionen und sagt, dass es unter Umständen noch Jahre dauern könnte, bis ein rechtskräftiges Urteil vorliegt. Bei ungewissen Erfolgschancen aus seiner Sicht. Immerhin: «Die Anklage macht nun deutlich, dass ein hinreichender Tatverdacht besteht», sagt er gegenüber «Espresso».
Was ist mit der PMEDA heute? Die umstrittene Gutachterfirma hat im November 2023 den Betrieb eingestellt und ist in Liquidation gegangen. Zuvor hatte das Bundesamt für Sozialversicherungen entschieden, die Zusammenarbeit mit der PMEDA per Ende 2023 zu sistieren. Denn die unabhängige Kommission für die Qualität bei der medizinischen Begutachtung (EKQMB) hatte in IV-Gutachten von PMEDA «gravierende formale und inhaltliche Mängel» festgestellt. Ehemalige PMEDA-Ärzte verfassen weiterhin Gutachten für Sozial- und Krankenversicherungen.
Seit wann steht PMEDA in der Kritik? PMEDA hatte jahrelang Tausende von IV-Gutachten erstellt. Betroffene, Fachleute, Medien sowie Politiker kritisierten diese wiederholt als schludrig und fehlerhaft. Wie im vorliegenden Fall seien nachweislich kranke Personen als voll arbeitsfähig eingestuft worden. Der «Kassensturz» hatte 2018 erstmals darüber berichtet. Seither hörte die Kritik an den Methoden von PMEDA nicht auf. Es laufen auch mehrere Strafanzeigen gegen Ärzte, die für die Firma Gutachten erstellt hatten.