Man stelle sich vor: Eine 22-Jährige kommt mit ihrem Bruder für einen Tag aus dem Engadin nach Bern. Dort wird sie wegen unsittlicher Bekleidung verhaftet und von der Polizei bewusstlos geprügelt. Drei Tage später stirbt sie an den Folgen ihrer schweren Verletzungen.
Elektroschocker wurden mir auf Herz und Genitalien gehalten.
Ersetzt man Bern durch Teheran und das Engadin durch die Provinz Kurdistan, hat man den wahren Fall der Iranerin Mahsa Amini. Deren gewaltsamer Tod im September 2022 sorgte für Massenproteste.
Das iranische Regime reagierte auf die Kundgebungen gegen Gewalt an Frauen mit zügelloser Brutalität. Menschenrechtsorganisationen zufolge wurden über 500 Menschen getötet, darunter rund 70 Kinder.
All das wird offiziell bestritten und als Verschwörung der USA abgetan. Doch einem mutigen Filmteam ist es gelungen, Geschichten ans Licht zu bringen, die das iranische Regime verheimlichen will.
Verstörende Aufnahmen zeigen das Vorgehen der iranischen Polizei.
So wird in einem besonders krassen Clip ein unbewaffneter Mann von einer uniformierter Dutzendschaft zuerst verprügelt, dann mit einem Motorrad überfahren und zuletzt schwer gezeichnet auf dem Boden liegend auch noch angeschossen.
Nicht weniger schockierend ist die Aufnahme einer jungen Frau, die rein zufällig mit dem Auto in eine Polizeiaktion fährt. Sie beginnt, die chaotische Szene mit ihrem Handy zu filmen – bis ein Kopfschuss ihr Leben jäh beendet.
Die staatliche Repression schreckte auch vor jenen nicht zurück, die nur helfen wollten. Keivan, der heute im Ausland lebt, hat zwischen 700 und 800 Protestierende medizinisch versorgt. Diese Aktionen brachten ihn ins Gefängnis, wo er gefoltert wurde: «Die Aufseher hielten mir einen Elektroschocker aufs Herz und die Genitalien.»
Bis heute hat das Regime die Lawine an Wut im iranischen Volk überlebt, die im September 2022 losgetreten wurde. Proteste gibt es keine mehr. Frauen schneiden sich nicht mehr plakativ auf öffentlichen Plätzen die Haare ab. In Städten brennen keine Mülltonnen mehr.
Trotzdem regt sich noch immer Widerstand – besonders in den sozialen Medien. Dort zeigen sich Leute unbeschwert tanzend und riskieren mit diesem lebensfrohen Verhalten, verhaftet zu werden.
Die im Exil lebende Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Awin Mostafazadeh ist sicher, dass der Kampf weitergeht: «Die Menschen im Iran sind wie Vulkane.»