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Sicherheit, Bauzeit, Kosten Neue Atomkraftwerke – auf was würde sich die Schweiz einlassen?

Der Bundesrat will, dass sich die Schweiz neue AKW als Option offenlässt. Doch bei aktuellen Neubauprojekten in Europa gibt es Probleme. Worauf würde sich die Schweiz einlassen?

Ende August hat der Bundesrat den Ausstieg vom Atomausstieg gefordert . Das Bauverbot für neue Atomkraftwerke soll fallen – einen entsprechenden Vorschlag will der Bundesrat dem Parlament vorlegen. Energieminister Albert Rösti will die Option AKW offenlassen für den Fall, dass der Ausbau von erneuerbaren Energien nicht schnell genug vorankommt.

Welche Voraussetzungen hat die Technologie heute? Eine Übersicht: 

Bauzeit

Je länger an einem Kernkraftwerk gebaut wird, umso mehr Geld verschlingt das Projekt. Schweizer Forschende haben dieses Jahr dem Bund einen Bericht zu den aktuellen Entwicklungen in der Kernkraft vorgelegt. Ihr Schluss: Bauzeiten von unter 6 Jahren seien möglich. Eine der Hauptautorinnen ist Annalisa Manera, Professorin für Kernenergie an der ETH Zürich. Sie hofft vor allem auf den südkoreanischen Hersteller KHNP. Dieser habe zwar noch nicht in Europa, aber in den Vereinigten Arabischen Emiraten sehr schnell ein AKW erstellt.

Bundesamt für Energie

Skepsis sei angebracht, findet hingegen Alexander Wimmers, der an der Technischen Universität Berlin zu den wirtschaftlichen Aspekten der Kernenergie forscht. In Europa hätten sich in den letzten Jahren alle Neubau-Projekte stark verzögert. Ein französisches AKW in Finnland ging erst nach 18 Jahren ans Netz. Wimmers bezweifelt, dass der südkoreanische Hersteller in der Schweiz mit den aufwändigen Bewilligungsverfahren gleich schnell bauen könne wie etwa in den Emiraten.

Sicherheit

Die Sicherheit bei neuen Kernkraftwerken sei deutlich erhöht, schreiben Schweizer Kernkraftforschende in ihrem Bericht für den Bund. Dass es zu einem Kernschaden und anschliessendem Austritt der hoch radioaktiven Stoffe komme, sei seltener als einmal alle zehn Millionen Jahre. Ein Restrisiko bleibt allerdings.  

Lohnen sich neue AKW?

Neue AKW würden sich nicht lohnen – dieses Fazit zieht Alexander Wimmers von der TU Berlin und verweist darauf, dass Privatfirmen heute vor allem in Erneuerbare investieren würden.  Aus der Schweizer Energiebranche würde bisher niemand in ein neues AKW investieren ohne staatliche Subventionen.

Für ETH-Forscherin Annalisa Manera liegt das an den Subventionen für erneuerbare Energien und dem langen Planungshorizont für AKW. Längerfristig würden sich Kernkraftwerke als konstante Stromlieferanten auszahlen, ist sie überzeugt. Die Gesamtkosten für Erneuerbare würden unterschätzt, weil man Energiespeicher brauche und das Stromnetz auf grosse Leistungsunterschiede ausbauen müsse.  

Endlagerung

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Wenn die Schweiz ein neues Atomkraftwerk baut, wäre die Endlagerung der hochradioaktiven Stoffe noch nicht gewährleistet. Im aktuell geplanten Tiefenlager im Zürcher Unterland hätte es laut dem Chef der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle zu wenig Platz.

Fazit

Vieles spricht aktuell gegen die Kernenergie. In Europa ist es in den letzten Jahrzehnten nicht gelungen, ein AKW schnell und günstig zu bauen. Ob am Ende Kernenergie oder erneuerbare Energien für ein günstigeres Energiesystem sorgen, ist umstritten.

Klar ist: Die Energiewende ohne Atomkraft ist ein gewaltiges Unterfangen. ETH-Professorin Annalisa Manera macht ein Beispiel: Ein einziges neues AKW produziere so viel Energie wie 500 grosse alpine Solaranlagen (zum Beispiel «Gondosolar»). Sie empfiehlt deshalb, zweigleisig zu fahren: einerseits in erneuerbare Energien zu investieren, andererseits die Hürden für einen AKW-Neubau abzubauen. Falls man irgendwann merke, dass der Ausbau der Erneuerbaren zu wenig schnell vorankomme, könnte man die Option Atomkraft zücken, so Manera. 

Wissenschaftsmagazin, 30.11.2024, 12:40 Uhr

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