Schon Sokrates fand Jugendliche unerträglich. Shakespeare schimpfte über sie. Ach, die Pubertät!
Wir Menschen sind damit nicht allein: Auch pubertierende Mäuse trinken in Gesellschaft zu viel. Junge Wölfe benehmen sich gerne mal daneben und dringen in Dörfer ein. Was die Natur so konsequent in Szene setzt, muss einen guten Grund haben.
Das Hirn baut sich um
Lange dachte man, dass das Gehirn ausgewachsen und ausgereift ist, wenn die Kindheit zu Ende ist. Was stimmt: Das Gehirn eines 10- oder 12-Jährigen wiegt schon so viel wie das eines Erwachsenen.
Doch die Struktur im Innern verändert sich noch tiefgreifend. Das Gehirn baut sich während der Pubertät und Adoleszenz regelrecht um – sicher bis ins Alter von Mitte 20, einige Forscher sagen, noch bis Anfang 40.
Was passiert in der Pubertät?
Eines der ersten Labore weltweit, in dem Forscherinnen und Forscher untersuchten, wie sich das Gehirn in den adoleszenten Jahren entwickelt, ist das Labor von Sarah-Jayne Blakemore am Institut für kognitive Neurowissenschaften des University College London.
Jack Andrews erforscht dort, wie Depression bei jungen Menschen entsteht: «Mir fiel auf, dass viele depressive Jugendliche von sozialer Ausgrenzung berichten.» Er untersucht deshalb, was im Gehirn passiert, wenn Probanden in einem Computerspiel von anderen Mitspielern ausgeschlossen werden.
Ausgerichtet aufs soziale Umfeld
Es zeigt sich: Jugendliche und junge Erwachsene reagieren sehr viel heftiger auf soziale Isolation als Erwachsene über 25. Dabei ist die selbe Hirnregion aktiv wie bei physischem Schmerz. Die Jugendlichen gehen zudem, wenn Freunde im Raum sind, bei einem virtuellen Autorennen mehr Risiken ein.
Dank Hirnscans kann man die Veränderung des Hirn über die Zeit erkennen.
Die Ergebnisse bisher: Besonders stark wandeln sich in der Pubertät die Bereiche im Gehirn, die für das soziale Leben entscheidend sind. Also zum Beispiel, wie wir Gesichter erkennen, Bewegungen andere Menschen deuten, ihre Perspektive einnehmen. Ausserdem die Gehirnbereiche, mit denen wir planen, unsere Ziele definieren und verstehen, und uns die Zukunft ausmalen.
Die Umwelt formt mit
Forscherin Emma Kilford ist eine Kollegin von Andrews: «Die Adoleszenz ist eine Zeit der Chancen und der Verletzlichkeit.» Was wir in dieser Zeit erleben, sagt sie, entscheide mit darüber, wie das Gehirn seine Struktur anpasst.
Mit anderen Worten, diese Zeit ist eine Zeit, in der wir genauso wie in der Kindheit noch einmal extrem von unserer Umwelt geprägt werden.
Pubertäre und Adoleszente hätten nicht umsonst den Ruf gefährdet zu sein, sagt Kilford: «Sie sind zwar nicht mehr durch Kinderkrankheiten gefährdet und noch zu jung für Alterskrankheiten. Aber statistisch gesehen sind die häufigsten Todesursachen Unfälle, Kriminalität und Selbstmord.»
Sinnlose Risiken?
Das mag, so Kilford, aus Erwachsenenperspektive sinnlos wirken – die Risiken vermeidbar. Aber bedenke man, dass das Gehirn sich in dieser Zeit stark entwickle und dazu den Input von aussen brauche, ergebe das Verhalten der junge Leute auf einmal Sinn.
Jugendliche sind also nicht anstrengend, planlos und stimmungsgesteuert, weil sie einfach gerne nerven. Sondern weil sie und ihr Gehirn gerade erst lernen, sich selbst und die Welt besser zu verstehen. So wie ein Kind laufen und sprechen lernt – und dabei auch mal auf die Nase fällt oder Blödsinn erzählt.