Ein Salzberg, so markant wie das Matterhorn, türmt sich in einer Lagerhalle auf dem Gelände der Schweizer Salinen in Pratteln BL. Es handelt sich um Streusalz, das auf Schweizer Strassen landen wird, um diese von Schnee und Eis zu befreien.
17'000 Tonnen Salz haben in der kleinen, aus Holz gebauten Halle Platz – ein Bruchteil dessen, was in den riesigen Salzhallen Saldome 1 und 2 in Riburg-Rheinfelden lagert. «Seit es die gibt, haben wir immer genügend Salz», sagt Urs Hofmeier, CEO der Schweizer Salinen.
Das Unternehmen hat den Auftrag, die Kantone der Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein «verlässlich, nachhaltig und solidarisch» mit Salz zu versorgen. Bis 600'000 Tonnen werden jährlich produziert, an den drei Standorten Pratteln, Riburg-Rheinfelden im Kanton Aargau und dem waadtländischen Bex.
«Solidarisch» heisst: Egal, ob die Salinen den Rohstoff ins benachbarte Basel, nach Zürich oder in das weit entfernte Puschlav liefern – eine Tonne Salz kostet immer gleich viel.
Wie Kochsalz produziert wird
Das Verfahren, mit dem hierzulande Salz gefördert wird, heisst Solungsbergbau:
- In circa 400 Meter Tiefe liegt die Salzschicht, in die ein Loch gebohrt wird.
- Hinabgepumptes Wasser löst das Salz auf.
- Die so entstandene Salzlösung («Sole») wird hochgepumpt und über eine Leitung zum Produktionsstandort («Saline») transportiert.
- Dort wird das Wasser bei 140 Grad Celsius wieder verdampft.
- Zurück bleibt kristallisiertes Salz, das anschliessend noch zentrifugiert und getrocknet wird.
Was früher Arbeiter mithilfe sogenannter Salzsiedepfannen mühsam und kräftezehrend bewerkstelligten, erledigen heute Maschinen.
Nach diesem Prinzip funktioniert die Salzgewinnung in der Nordwestschweiz seit bald 200 Jahren. Unzählige Salzkavernen sind so erschlossen und leer geräumt worden.
Nun braucht es neue Vorräte. Für die nächsten 50 Jahre haben die Schweizer Salinen deshalb weitere Salzabbaugebiete der Region im Visier: in Liestal BL und im aargauischen Fricktal.
Die Erschliessung ist ein langwieriger Prozess: Kantonale Nutzungsrechte (Konzessionen) müssen erneuert, Bohr- und Baubewilligungen eingeholt und Landbesitzer müssen entschädigt werden. Und nicht zuletzt gilt es, Anwohnerinnen und Anwohner von den Plänen zu überzeugen. Denn der Salzabbau – das hat sich in der Vergangenheit mehrfach gezeigt – birgt geologische Risiken, die lange unterschätzt wurden.
Die Bevölkerung sagt dazu nicht mehr einfach Ja und Amen. Davon später.
Der Ursprung des Salzes
Salz ist – chemisch betrachtet – ein Mineral, zusammengesetzt aus den Elementen Natrium und Chlor. Die Salzschichten, die in der Schweiz heute abgebaut werden, sind rund 250 Millionen Jahre alt und stammen erdgeschichtlich aus der Trias.
Damals sah die Erde noch ganz anders aus: Es gab den Urkontinent Pangäa, auf dem sämtliche Landmassen an einem Stück zusammenhingen, und auf der östlichen Hemisphäre das Tethysmeer, ein Urmeer. «Aus diesem Tethysmeer stammt unser Salz», erklärt Salinen-Chef Urs Hofmeier. «Das heisst, wir bauen heute eigentlich Meersalz ab.»
Während der Erdgeschichte gab es immer wieder Warmperioden; das Urmeer trocknete ein, zurück blieben unter anderem Natrium und Chor, das sich zu Salz kristallisierte. Im Laufe von Millionen Jahren zerfiel Pangäa zunächst in zwei, dann in weitere Teile, die sich voneinander entfernten – und sich zu den heutigen Kontinenten formten.
Landmassen verschoben und falteten sich, Gebirge entstanden. Die Salzschichten aus dem Tethysmeer wurden von vielen Erdschichten überdeckt und grossenteils so gut eingeschlossen, dass sie nicht mit Wasser in Berührung kamen. So sind sie bis heute tief im Boden erhalten geblieben.
Nicht jedes Land hat eigene Salzvorkommen. Aber Salz ist einer der häufigsten Rohstoffe überhaupt und auf allen Kontinenten vorhanden. «Würde man sämtliches Salz aus dem Boden holen und auf die Erdoberfläche packen, ergäbe dies eine Salzkruste von 44 Metern Dicke», weiss Urs Hofmeier.
Anders gesagt: Das Salz wird uns nie ausgehen.
Das «weisse Gold» sichert unser Überleben
Die Kunst bestand seit jeher darin, es aus dem Boden zu holen und verfügbar zu machen. Salzgewinnung war früher so schwierig wie Gold zu schürfen, deshalb nannte man den Rohstoff auch «weisses Gold».
In den Anfängen stiessen die Menschen per Zufall auf salzhaltige Gewässer – etwa einen Bergbach, der etwas Salz führte, oder eine salzhaltige Quelle, die aus dem Berg sprudelte. Sie machten es im Grunde wie die Tiere, die noch heute «der Nase nach» dem Salz folgen, denn: ohne Salz kein Überleben.
Salz regelt den Wasserhaushalt des Körpers und den Blutdruck, sorgt für die Verdauung oder dafür, dass unsere Muskeln funktionieren.
Schon in der Jungsteinzeit gewannen die Menschen Salz, indem sie im Boden danach gruben. Eines der bekanntesten und ältesten Salzbergwerke Europas ist Hallstatt in Österreich: Archäologische Quellen besagen, dass die Menschen dort wahrscheinlich schon vor 7000 Jahren Salz schürften.
Von den Griechen und Römern weiss man, dass sie vor allem Meersalz verwendeten. In sogenannten Salzgärten liessen sie Meerwasser verdunsten und sammelten das zurückbleibende Salz vom Boden – eine Technik, die auch heute noch angewandt wird, zum Beispiel in der Camargue.
Vom eingepökelten Fleisch zum Salär
Salz ist aber nicht nur physiologisch wichtig. Salz bot bis in die Neuzeit die einzige Möglichkeit, um Lebensmittel zu konservieren, zum Beispiel als Pökelfleisch. Käse entsteht aus Rohmilch, haltbar gemacht auch durch Salz. In Salz eingelegter Weisskohl wird zu Sauerkraut verarbeitet, das man viele Wochen aufbewahren kann.
Kurz: Seit die Menschen vor 12'000 Jahren sesshaft geworden sind, ist Salz elementar für die Ernährung. Das machte es früher so wertvoll, wie Gold eben.
Salz stand seit jeher für Macht und Reichtum. Die Römer zum Beispiel betrieben nebst Salzgärten zahlreiche Salzbergwerke, die ihnen halfen, ihr Imperium zu sichern. Es entstanden grosse, strategisch wichtige Salz-Handelsstädte, und über ein weitläufiges Strassennetz, die «Via Salaria», verkauften spezialisierte Kaufleute Salz bis in die entferntesten Teile des römischen Reichs. An Feinde Salz zu verkaufen, war verboten.
Salz war auch im wörtlichen Sinn eine Währung: Die Römer bewerteten Salz gar höher als Gold und setzten es als Zahlungsmittel ein. Beamte und Legionäre wurden mit Salz entlöhnt, dem «Salarium», lateinisch für «Salzration». Daher stammt der Begriff «Salär».
Auch in der Schweiz hat Salz historisch eine grosse Bedeutung, vor allem für den Kanton Baselland: Dieser wurde mit dem weissen Gold nicht nur reich, sondern verdankt dem Salz auch seine politische Unabhängigkeit.
Geld spielt bei der Salzgewinnung noch immer eine wichtige Rolle: Es ist ein lukratives Geschäft, nicht nur für die Schweizer Salinen, sondern auch für die Kantone, denen das Salz gehört. Trotzdem ist der Salzabbau kein Selbstläufer mehr, wie sich aktuell zeigt.
Wie die Salz-Erfolgsstory Risse bekam
Die Pläne der Schweizer Salinen, neue Solefelder zu erschliessen, haben in den betroffenen Regionen teilweise Skepsis, im Kanton Baselland gar offene Opposition hervorgerufen. In der Vergangenheit hat sich nämlich gezeigt, dass stillgelegte Salzkavernen im Untergrund nicht immer stabil sind. Teilweise kam es zu sogenannten Verbrüchen, das heisst: Das Gewölbe der Kaverne gibt nach, und der darunter liegende Hohlraum «arbeitet» sich über einen längeren Zeitraum nach oben. An der Oberfläche senkt sich dadurch der Boden.
Das Phänomen trat schon vor Jahrzehnten auf, spektakulär etwa am 6. Dezember 1986, als zwischen Möhlin und Rheinfelden 7200 Quadratmeter Boden trichterförmig einstürzten, an der tiefsten Stelle vier Meter tief. Die Landstrasse war während zwei Wochen gesperrt, die Kurortstafel war auseinandergebrochen. Eine geologische Untersuchung ergab, dass der Einsturz auf eine kollabierte Solungskaverne zurückzuführen war.
Eingestürzte Kavernen, skeptische Bevölkerung
In der Folge warnten Wissenschaftler regelmässig vor solchen Bodensenkungen durch den Salzabbau. Doch die Warnrufe verhallten ungehört. Erst Ende der 2010er, Anfang der 2020er Jahre, als weitere Kavernenverbrüche bekannt wurden und eines Tages eine riesige Salzwasserfontäne aus einem alten Bohrloch spritzte, wurden die Leute hellhörig. Und sie begannen sich zu wehren: In Muttenz BL stellten sich die Bewohner gegen ein geplantes Solefeld auf ihrem Gemeindegebiet quer. Das Projekt scheiterte.
Auch die Politik hat reagiert: Als die Verlängerung der Konzession für den Salzabbau im Kanton Baselland anstand, stimmte das kantonale Parlament dem Vertrag erst nach jahrelangem Hin und Her vor Kurzem zu. Dabei wurden den Schweizer Salinen umfassende Überwachungs-, Dokumentations- und Nachsorgepflichten auferlegt.
Über mögliche Standorte wird im Baselbiet weiterhin, zum Teil heftig diskutiert. Die Salinen möchten ins Röserental auszuweichen, ein idyllisches und beliebtes Naherholungsgebiet zwischen Frenkendorf und Liestal. Auch dort habe sich eine «kritische, zum Teil skeptische Anwohnerschaft» organisiert, sagt der Grünen-Politiker Lukas Flüeler gegenüber SRF. Man sei nicht grundsätzlich dagegen, «aber es wird genau hingeschaut».
Solungstechnik weiterentwickelt
Auch die Schweizer Salinen schauen inzwischen genauer hin: Die moderne Solungstechnik sei wesentlich sicherer geworden, beteuert Salinen-Chef Urs Hofmeier: «Der wesentliche Unterschied zu früher ist, dass man kontrolliert solt, das heisst, wir können mit dem neuen Verfahren die Ausdehnung der Kaverne gezielt steuern.»
Eine zusätzliche Stickstoffschicht im oberen Bereich der Kaverne verhindere, dass sich deren Gewölbe nach oben ausdehne. «Zudem überprüfen wir von oben regelmässig mit 3-D-Echolot, dass sich die Kaverne wie gewünscht entwickelt.»
Die Schweizer Salinen haben ausserdem ihre Kommunikationsstrategie geändert: Aus den Erfahrungen im Kanton Baselland hätten sie gelernt, «dass wir frühzeitig und viel proaktiver informieren müssen», so Urs Hofmeier.
Einbezug der Bevölkerung
Im Fricktal, Kanton Aargau, ist die Bevölkerung vielseitig in die Salzgewinnung eingebunden – an regelmässigen Infoanlässen, in Begleitgruppen oder aktuell in einem öffentlichen Mitwirkungsverfahren beim kantonalen Richt- und Nutzungsplan, der zurzeit angepasst wird. Der Richtplan sieht vor, vier Gebiete für die Salzgewinnung im Aargau bis ins Jahr 2075 aufzunehmen. Damit könne «die gesamtschweizerische Salzversorgung langfristig gesichert werden.»
Bewohnerinnen und Bewohner der betroffenen Gemeinden können sich bis zum 4. April 2025 zu den Plänen äussern. Die partizipative Strategie scheint aufzugehen: Die Leute finden den Salzabbau eine gute Sache, auch der lokale Natur- und Vogelschutz ist an Bord. Die Schweizer Salinen haben dem Verein zwei Naturschutzprojekte finanziert – Nisthilfen für Vögel, die im Siedlungsraum oder im Wald brüten.
Im Aargau gibt es gegen die neuen Salzabbaupläne praktisch keine Opposition.