Drei Küsschen? Oder nur eines? Reicht ein Handschlag? Oder wäre eine Umarmung doch passender? Phu. Zum Glück ist es eine Weile her, dass ich mir solche Fragen stellen musste. Man kommt sich dafür ja gar nicht nah genug.
Küssen verboten
Das Bundesamt für Gesundheit rät bis auf Weiteres davon ab, Hände zu schütteln oder Küsschen zu verteilen. «Wir werden noch länger mit diesen Einschränkungen leben», heisst es in der Empfehlung des Bundes.
Das Gute daran: Endlich herrscht in Begrüssungsfragen auch für Deutschschweizer Klarheit. Anders als etwa in der Romandie, wo einfach alles geküsst wird, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, herrscht bei uns oft Unsicherheit.
Die Mathematik des Grusses
Immer wieder werden Stilexperten in Zeitungen gefragt: Wen muss, darf oder soll ich küssen? Die Antwort: komplizierte Rechnungen mit den Faktoren Alter, Geschlecht, Sozialstatus und Verbundenheit. Klarheit bringt das nicht.
Besonders knifflig ist es auf Partys: Wenn ich die Gastgeberin mit Küsschen begrüsse, muss ich dann alle küssen? Nur die, die ich schon kenne? Die ich gut kenne?
Verständlicherweise drücken sich in dieser Situation viele vor der Entscheidung. Man stellt sich beim Abschied also vor ein Gäste-Grüppchen und sagt gequält lächelnd: «Ich verabschiede mich jetzt einfach so». Dann Zuwinken aus nächster Distanz.
Comme les Welsch?
Müsste man die Deutschschweiz mit einer einzigen Geste darstellen, dann wäre es dieses verkrampfte Party-Abschieds-Winken. Geselligkeit, gepaart mit einem leichten Unwohlsein vor zu grosser Nähe. Wir suisses totos sind halt nicht ganz so locker wie unsere Landsleute im Westen und Süden.
Dank der jetzigen Situation müssen wir die deutschschweizerische Verkrampftheit nicht mehr überwinden – schliesslich gibt es keine Alternative mehr zum Winken aus zwei Metern Entfernung.
Derzeit ist aber auch die Freude beim Wiedersehen von Freunden besonders gross. Da würden vielleicht sogar wir uns gerne umarmen oder küssen. Wir müssen diese Geste deshalb als Zeichen von Zuneigung verstehen. Eigentlich war sie das schon immer – aber jetzt ganz besonders.