Beginnt ein Buchtitel mit «Eine kurze Geschichte …», darf man sich auf einen kompakten Überblick freuen. Mit der Argumentationsdichte dagegen sollte man nachsichtig sein. «Eine kurze Geschichte der Frauen»: So nennt sich mutig das neue Buch von Yvonne-Denise Köchli.
Auf 223 Seiten arbeitet sich die Journalistin durch feministische Impulse und Vormärsche der vergangenen zwei Jahrhunderte. Das Buch ist nicht nur ein gelungener Streifzug, sondern bietet auch eine interessante Grundlage zur Diskussion.
Im erzählerischen Stil verknüpft Köchli historische Ereignisse mit Studien und persönlichen Anekdoten. Auf diese angesprochen sagt sie: «Ich habe mich ein bisschen schwergetan. Aber nun bin ich froh, denn so ist es viel lebendiger.»
Es sind kurze Erfahrungsberichte einer bekannten Stimme, die nie müde wurde, in Schweizer Talkshows für Frauenrechte einzustehen. Dennoch stellt sich die Frage: Braucht es ein weiteres Überblickswerk?
Feministischer Blick
Erscheint heute ein Buch über Feminismus, funktioniert das nicht mehr ohne klare Verordnung der eigenen Perspektive. So heisst es bei Köchli gleich zu Beginn: «Geschrieben ist das Buch aus der Perspektive einer weissen, mitteleuropäischen Frau, die über zahlreiche Kontakte zu nordamerikanischen Frauenorganisationen verfügt.» Der Fokus der Ausführungen auf Europa und Nordamerika ist also schnell gesetzt.
Die grossen Themen betreffen die zwei Gs: Geld und Gewalt.
Das Werk beginnt dann auch bei einem aus vielen anderen europäischen Feminismus-Schriften bekannten Datum: 1791 publizierte die französische Schriftstellerin Olympe de Gouges ihre «Erklärung der Rechte der Frau und der Bürgerin». Unter dem Stichwort «Hintergrund» erwähnt Köchli, dass sie auch mit der «Rasheed Women's Conference» 1799 in Ägypten hätte beginnen können.
Wokeness überall?
«Ich denke mein Buch ist wichtig, weil zum Beispiel Populisten so tun, als ob wir uns nur noch mit Gendersternen, geschlechtsneutralen Toiletten und woken Themen beschäftigen», setzt Köchli im Gespräch an, «Das ist natürlich absoluter Quatsch. Die grossen Themen sind subsumiert unter den zwei Gs: Geld und Gewalt.»
Köchlis Fokus auf geschlechtsspezifische Gewalt im häuslichen Umfeld könnte derzeit nicht stärker belegt werden als durch den Prozess von Gisèle Pelicot in Frankreich. Auch die Aneignung queer-feministischer Debatten als Kulturkampfthema von Rechts hat aktuell grossen Aufwind.
Wer ist eine «Frau»?
Deutlich wird jedoch auch, dass Köchli mit den Kämpfen der zweiten Welle der Frauenbewegungen in den 1960er-Jahren sozialisiert wurde. Sie bestimmen die Grundlage ihres Denkens. Jüngere Feministinnen, die sich für eine Fluidität der Geschlechter starkmachen und auf sprachliche Differenzierung beharren, fühlen sich vermutlich bereits durch das Wort «Frau» im Titel ausgegrenzt.
Wir müssen akzeptieren, dass es verschiedene feministische Gruppierungen gibt.
Menschen, die sich als Trans oder nicht-binär identifizieren, finden sich in Begriffen wie Frau und Frauenbewegung nicht wieder.
Köchli ist sich dieser Konflikte bewusst. Ihr Appell: «Wir müssen akzeptieren, dass es verschiedene feministische Gruppierungen gibt, die unterschiedliche Prioritäten setzen», sagt sie im Gespräch, «Aber dabei sollte es nicht zu destruktiven Kämpfen kommen. Kritische Auseinandersetzung ja, aber keine Entwertungen.»