Ein grosses Essen vorbereiten ist wie Regie führen, sagt Sandra Knecht. Sie versteht Kochen als Teil einer vielfältigen künstlerischen Identitätssuche. Nie kocht sie nach Rezept, und nie zweimal dasselbe – jedes ihrer Essen ist ein Experiment.
SRF: Was gefällt Ihnen am Kochen besonders?
Sandra Knecht: Schon als kleines Kind, mit vier Jahren, stand ich in der Küche. Später habe ich oft im Landdienst bei Bergbauern gekocht.
Mein künstlerischer Zugang zum Kochen ist ein Versuch, Heimat und Identität erfahrbar zu machen.
Heute setze ich mich künstlerisch damit auseinander, wie sich Identität zusammensetzt und was Heimat ist – ein fluider Begriff, den ich je länger desto weniger fassen kann.
Mein künstlerischer Zugang zum Kochen ist ein Versuch, Heimat und Identität erfahrbar zu machen. Ich will aufzeigen, dass Heimat nicht nur bequem und fein ist – es gibt bei uns auch viele Geschmäcker, die sehr bitter oder sauer sind.
Im Zusammenhang mit Regionalität in der Küche wird oft ein Heimatbegriff herbeizitiert, der mit «Comfort Food» verwechselt wird. Dieser Wohlfühl-Aspekt hat nichts mit Heimat zu tun, so wie ich sie verstehe.
Was kochen Sie am liebsten?
Ich koche bei meinen «Immer wieder sonntags»-Essen immer themenspezifisch, nie nach Rezept, und nie zwei Mal dasselbe – jedes Essen ist ein Experiment.
Wenn ich zum Beispiel eine Wildsau von hier aus dem Wald verkoche, dann kann sein, dass es dazu einen Löffel Erde gibt – sterilisiert natürlich. Oder wenn ich Dachs mache, gibt es ein bisschen Dachsfett dazu.
Wenn ich eine Wildsau verkoche, dann kann sein, dass es dazu einen Löffel Erde gibt.
Anders als in der Gastronomie geht’s bei mir nicht um die Wiederholbarkeit und das ausgewogene Zusammenspiel der Geschmäcker. Ich versuche die geschmackliche Identität der Pflanzen und Tiere, aber auch die von verschiedenen Kulturen zu finden und kulinarisch erlebbar zu machen. Daher koche ich am liebsten das, was mich herausfordert, in irgendeiner Art und Weise.
Was essen Sie am liebsten?
Bratkartoffeln und Spiegelei. Es ist ja oft so, dass Leute, die professionell kochen, zu Hause gerne einfach essen.
Warum haben Sie für uns gerade dieses Gericht ausgewählt?
Weil die Kartoffeln vom Fest zu meinem 50. Geburtstag übrig waren. Und weil man gute, regionale Produkte nicht gross weiterverarbeiten muss, damit sie schmecken. Da draussen springen meine Hühner herum – diesen Eiern muss ich nichts mehr hinzufügen, die sind an sich schon perfekt.
Gibt es Bezüge zwischen dem Kochen und Ihrer künstlerischen Tätigkeit?
Kochen ist ein Teil meiner künstlerischen Praxis – meine Art zu kochen kann auch als eine Erweiterung des Regie-Begriffs betrachtet werden. Alles hat damit zu tun, wie etwas inszeniert und transportiert wird. Ein grosses Essen ist immer auch ein Happening.
Mich interessiert die Fluxus-Bewegung, Art Brut und Arte Povera, aber auch die Ästhetik der Renaissance. Was ich mache, ist schwer fassbar, weil viele Sparten ineinander übergehen – Performance, aber auch Film, Konzeptkunst, Kochen und Installationen.
Das Gespräch führte Irene Grüter.