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Nach Streichungen bei USAID Droht jetzt der globale Zusammenbruch der humanitären Nothilfe?

Die US-Regierung friert rund 60 Milliarden Hilfsgelder für USAID und UNO-Hilfsorganisationen ein – fast ein Drittel der Nothilfe- und Entwicklungsgelder der UNO. Schweizer Kirchen warnen: Das könnte Millionen Menschen das Leben kosten.

In einem offenen Brief an Bundesrat Ignazio Cassis warnen Kirchen und ihre Hilfswerke vorm globalen humanitären Kollaps. Die beiden grossen Landeskirchen und ihre Hilfswerke appellieren an Aussenminister Cassis: Er solle jetzt die Initiative in der UNO ergreifen.

Der humanitären Tradition folgen

Die Schweiz solle eine Koalition von Geberländern bilden und koordinieren. Es gelte unverzüglich, einen Plan aufzustellen, wie die humanitäre Nothilfe in den akuten Krisen dennoch gewährleistet werden könne. Ausserdem soll die Schweiz ihrer humanitären Tradition gemäss das Gespräch mit US-Präsident Trump suchen.

Wer steht hinter dem offenen Brief?

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Unterzeichnet haben den Brief vom 13. Februar 2025 die Spitzen der beiden grossen Landeskirchen: der römisch-katholische Bischof Charles Morerod (Bischofskonferenz) und Pfarrerin Rita Famos (Präsidentin der Evangelisch-Reformierten Kirche Schweiz EKS), zusammen mit den Leitern der kirchlichen Hilfswerke HEKS, Fastenaktion und Caritas Schweiz.

Die Hilfsgelder, also konkret die Finanzierung von USAID so plötzlich zu stoppen, sei «verantwortungslos», betont Rita Famos von der EKS. Und Caritas-Schweiz-Mitarbeiter Andreas Lustenberger ist aufgebracht: «Es ist wirklich ein Schock, dass so viel Geld von einem auf den nächsten Tag eingefroren ist und man nicht weiss, ob das noch ausgezahlt wird oder nicht.»

«Die Armutsspirale dreht sich immer weiter»

Plötzlich sei die Internetseite von USAID abgeschaltet gewesen: «White Screen, man kriegt keine Infos.» Lustenberger äussert sich gegenüber SRF alarmiert. Er erinnert, wie viele Menschen an der Arbeit von Nothilfe- und Entwicklungsorganisation hängen.

Da seien die von Krieg, Hunger und Seuchen Betroffenen im globalen Süden; und da seien auch zigtausende Mitarbeitende in den Partnerländern mit deren Familien, die nun ihre Arbeit verlieren. «So dreht sich die Armutsspirale immer weiter.»

Nachdem der Schweizer Bundesrat die Gelder für Entwicklungszusammenarbeit massiv gekürzt hat, haben die kirchlichen Hilfswerke keinen guten Stand. Das reformierte Hilfswerk HEKS musste bereits 100 Stellen streichen. Derweil wirkt sich der Geld-Stopp aus den USA schon jetzt aus.

Millionen Menschen sind betroffen

Das Hilfswerk HEKS dokumentiert, wie allein Nothilfen in den Staaten Ukraine, Äthiopien und in der Demokratischen Republik Kongo eingestellt werden mussten – wegen des Wegfalls von USAID. Betroffen seien allein dort rund 900'000 Menschen, schreibt das HEKS. Darum warnt das reformierte HEKS wörtlich vorm «Zusammenbruch der weltweiten humanitären Versorgung».

Und Andreas Lustenberger von Caritas Schweiz bekräftigt: «Hunderttausende Menschen können aktuell nur überleben, weil sie dank der internationalen Hilfe medizinische Versorgung haben, in Flüchtlingscamps Schutz finden, wo sie Unterkunft und Nahrung bekommen, – also, diese Menschen sind akut gefährdet!»

Es muss weiter gehen – mit geänderter Strategie

Darum wollen auch die Kirchen weitermachen. Sie wollen an ihrem christlichen Urauftrag der tätigen Nächstenliebe festhalten, betont Pfarrerin Famos von den Reformierten. Jedoch müssten sie wohl ihre Strategien schärfen.

Gegenüber SRF fragt sich EKS-Präsidentin Famos: «Wie können wir als Kirchen noch effektiver handeln? Wir setzen uns seit Jahrzehnten für die Ärmsten ein. Reicht das noch? Oder müssen wir unsere Advocacy-Arbeit verstärken und noch gezielter politisch Einfluss nehmen?!»

Der offene Brief an den Bundesrat ist ein solcher Versuch von «Advocacy», also Anwaltschaft für die Notleidenden. Diese scheint auch dringend nötig in einer mehr und mehr entsolidarisierten Welt.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 14.2.2025, 17:20 Uhr

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