Am Abend stand Edgar noch in der Küche, um sein Lieblingsessen zuzubereiten – knusprig gebratenes Hähnchen. Tags darauf hatte der erst Siebenjährige ganz plötzlich einen Kreislaufkollaps. Trotz aller Reanimationsversuche fand er nicht mehr ins Leben zurück.
Radikale Offenheit
Der Tod ihres kleinen Sohnes zog der Autorin Katja Lewina komplett den Boden unter den Füssen weg und liess ihr das Herz fortwährend poltern. So stark, dass sie eines Tages bei einem Untersuch herausfand: Sie ist unheilbar herzkrank. Und nicht nur sie: Auch ihre Tochter leidet unter diesem Gendefekt.
Die meisten Menschen neigen dazu, den Tod von sich wegzuschieben. Das rächt sich irgendwann.
Wie also weitermachen? Indem man radikal offen darüber spricht und den Tod nicht mehr verdrängt. Indem man ihn als Teil des eigenen Lebens zu verstehen beginnt. «Die meisten Menschen neigen dazu, den Tod so weit wie möglich von sich wegzuschieben. Aber wie so oft, wenn wir etwas verdrängen, rächt sich das irgendwann», sagt Lewina.
Früher hätte sie selbst «Unsterblichkeitsphantasien» gehabt und das Gefühl, dass ihr und ihrer Familie nichts zustossen könnte, sie geschützt seien. Der Tod des Kindes und ihre Diagnose seien deshalb eingeschlagen wie eine Bombe.
Bewusst erleben, bewusster leben
Heute spüre sie eine Verpflichtung, ihr Leben ganz bewusst zu leben, auch für ihren Sohn, der das nun nicht mehr könne. «Ich habe sehr rigoros angefangen auszusortieren, mit welchen Menschen ich mich umgebe, womit ich meine Zeit verbringe und welche Jobs ich annehme», erzählt Lewina.
Was kann ich tun, um im Hier und Heute kein Bedauern aufzubauen?
Der ungeschönte Blick auf die eigene Endlichkeit hätte ihr neue Lebensqualität gegeben. Kann der Tod als Sinnstifter für das Leben dienen? Jedenfalls könne er helfen, das mögliche Bedauern am Lebensende zu antizipieren, sagt Lewina.
Die Furcht vor dem Bedauern
Das Bedauern, so sagt es auch der US-amerikanische Psychiater Irvin Yalom, der für Katja Lewina wichtig wurde, sei oft der Grund für Todesfurcht. Deshalb rät er zu dem folgenden Gedankenexperiment. Man solle sich fünf Jahre in die Zukunft versetzen und fragen: «Was kann ich tun, um im Hier und Heute kein Bedauern aufzubauen? Was muss ich in meinem Leben verändern?»
Deshalb müsse man nicht gleich eine Bucket-List schreiben, meint Lewina. Aber sich dessen gewahr werden, was einem guttut und wovon man träumt, welche Wünsche man sich bisher nicht zugestanden habe.
«Wie ein Instinktbündel»
All dies hätte ihr erst der Tod ihres Sohnes und ihre eigene Diagnose klarer gemacht. Denn im Angesicht des Todes sehe man plötzlich klarer, werde «wie ein Instinktbündel» und wisse genau, was man brauche und möchte.
Im Idealfall braucht es dafür keinen Schicksalsschlag, sondern eine bewusste Lebensführung. Und genau dafür wirbt Lewina mit ihrem Buch auch.