Vor einigen Wochen habe ich meine letzte Bastion ins Digitale versetzt: die Partnersuche. Bumble, Tinder, OkCupid – alles ausprobiert. Dafür schämen? Nö. Schliesslich wartet der «Traumprinz» nicht hinter dem Gummibaum im Homeoffice.
«Boom, it’s a Match»
«Wir sagen einfach, wir hätten uns in der Migros kennengelernt», steht auf dem Online-Profil meines potenziell nächsten Dates – nennen wir ihn Max. Max ist 28 Jahre alt, wohnt in Zürich, ist Nichtraucher. Seinen zwei hochgeladenen Bildern zufolge mag er zwei Dinge: Wandern und Bier auf Dachterrassen trinken.
Einmal nach rechts geswiped, schon ploppt eine Meldung auf: «BOOM – It’s a Match». Max und ich haben nun nicht mehr nur die Leidenschaft für Bier und Dachterrassen gemein, sondern können auch miteinander chatten. Die Freude wächst, die Sorge um eine mögliche Corona-Infektion ebenso.
Nähe auf Abstand
Ich frage mich: Wie kommt man sich näher, ohne sich näherzukommen? Setzen sich etwa all die flirtwilligen Singles auf Tinder einfach über die Empfehlungen des Bundesrates hinweg?
Grösstes Problem: Wo trifft man sich? Die Bars sind geschlossen, Kaffee trinken ist nur als Take Away und in gröbster Wintermontur möglich. Das eigene zu Hause war auch schon vor Corona ein ungeeigneter Treffpunkt für ein erstes Date. Bleibt noch das gemeinsame Spazierengehen.
Ist Händeschütteln das neue Knutschen?
Schon einige Male habe ich mich auf ein Spaziergang-Date begeben. Mit Abstand und einem Kaffee in der Hand lässt es sich leicht reden. Aber verlieben? Seit das Sitzen auf der gleichen Bank schon ein intimer Moment ist und der Ellenbogen-Check das neue Küssen ist, spüre ich plötzlich nichts mehr ausser einer leichten Verunsicherung.
Darf ich beim zweiten Date auf der Parkbank schon etwas näher heranrücken? Sollen wir uns beim dritten Date zur Begrüssung schon umarmen? Ab dem wievielten Date wäre ein Kuss legitim, Monsieur Berset?
Die Ausrede Corona
Zweites Problem: Die Unverbindlichkeit des Internets hat mit Corona die ultimative Ausrede gefunden. Neu sind Sätze wie «Sorry, ich muss in Quarantäne» oder «Da ich ein leichtes Kratzen im Hals verspüre, muss ich leider absagen» en vogue.
Das Date wird dann abgesagt oder (teilweise ins Unendliche) verschoben. Ob faule Ausrede oder nicht: Die Hürden für Zweisamkeit steigen.
Onlinedating ist auch ohne Pandemie ätzend
Auch meinem Bumble-Match Max habe ich nach ein paar Mal Hin- und Herschreiben einen Winterspaziergang vorgeschlagen. Und dabei gehofft, dass sich bis zum Treffen kein verdächtiges Kratzen in meinem Hals bemerkbar macht. Das Wetter: Sonnig, «warme» 2 Grad Höchsttemperatur. Dem Spaziergang steht nichts im Weg.
Nur eines hatte ich bei all meinen Überlegungen nicht vorhergesehen: Max’ Antwort blieb aus. Knallhart wurde ich vom sympathischen Typen mit dem Dachterrassen-Bild geghostet. Da hatte ich wohl glatt vergessen, dass Dating auch vor der Corona-Pandemie schon ätzend war.