Können Sie sich noch erinnern? Als wir uns im vergangenen Frühling in den Lockdown verkrochen, blühten viele von uns richtiggehend auf. Die plötzlich verordnete Zeit zuhause setzte ungeahnte Energien frei.
Wir entwickelten uns zu Kochkünstlern, buken Bananen- und Sauerteigbrote. Wir besuchten YouTube-Yogakurse, erkundeten auf neu gekauften Mountain Bikes die umliegenden Hügel. Wir gärtnerten, reparierten Fahrräder und strichen Zimmerwände neu. Wir lernten Griechisch und Mundharmonika.
Aufs Sofa legten wir uns nur, um endlich mal «Infinite Jest» fertig zu lesen oder das Gesamtwerk von Akira Kurosawa anzuschauen.
Den Tag durchstehen statt nutzen
Ich weiss nicht, wie’s Ihnen geht. Aber in der zweiten Welle spüre ich von dieser Euphorie nicht mehr viel. Vom Druck, Grosses leisten zu wollen, habe ich mich unterdessen befreit und lebe in wohliger Faulheit. Auf den Frühling der Selbstoptimierung folgte der Winter unserer Selbstzufriedenheit.
Der Ausnahme- ist zum Normalzustand geworden. Wir reden nicht mehr von «Coronazeiten», in denen wir endlich erledigen können, wofür wir sonst nie Zeit finden. Nein, jetzt schauen wir nur noch, dass wir da irgendwie durchkommen, ohne allzu viel Schaden zu nehmen.
Das heisst: Statt aufwendig zu kochen bestelle ich heute eine Pizza und schaue mir zum siebten Mal «Die Hard» an. Für «guilty pleasures» schäme ich mich schon lange nicht mehr.
Die erste Welle mag den Hobbysportlern und Freizeitköchen gehört haben. Jetzt ist die Zeit der Couchpotatos und Slacker angebrochen. Aber ganz egal, wie Sie die Welle reiten wollen: Schauen Sie, dass Sie oben bleiben.