123456. Mathilda2020. Ferien-Forever. Es gehört zu den eher weniger bedachten Nebenwirkungen dieser, Verzeihung, Corona-Kacke, dass man plötzlich die Passwörter seiner Arbeitskolleginnen und -kollegen kennt. Und zwar auswendig.
Die neue Offenheit hat weniger damit zu tun, dass wir, seit wir Schreibtischmenschen im Homeoffice hocken, ohnehin mehr voneinander wissen als uns lieb ist. Wir beäugen die Aussicht aus dem Arbeitszimmer des Chefs, begrüssen die Katze des Kollegen mit Vornamen und haben natürlich bemerkt, dass der Gummibaum von «Gspänli» G. dringend Wasser braucht.
Ich selbst falte regelmässig vor versammelter Belegschaft meine Kinder zusammen, gefühlt in Grossbuchstaben. «Mach erst deine Hausaufgaben, bevor du mir auf die Nerven gehst!» Das Mikrofon war an? Es gibt Schlimmeres.
Man vergisst ja gern in diesen Unzeiten: Wir waren alle mal Menschen. Und alle sitzen wir im Glashaus. Zum Glück mit Glasfaseranschluss.
Nur keine Hemmungen
Und doch ist das zu beobachtende Ausplaudern von Passwörtern nicht dasselbe, wie wenn man in einem tollen Team, sagen wir, löblicherweise Lohntransparenz lebt und sich auch sonst wechselseitig ins Gesicht sagt, was Sache ist im Haushalt der Gefühle. Anders ist es nur schon deshalb, weil man so etwas Persönliches wie ein Passwort in der Regel unfreiwillig preisgibt.
Der Klassiker: Man schaltet sich in eine Sitzung ein, auf die man sich (Menschen!) seit Tagen, wenn nicht Wochen gefreut hat und erlaubt sich rasch, nebenher die privaten Emails zu checken. Dass man so auch mal aus Versehen sein Passwort in das weit geöffnete Chat-Fenster tippt, von denen (Stosslüften!) meist mehrere offenstehen: Es ist allzu menschlich.
Bullshit-Bingo 2.0
Wie reagieren? Ich fürchte, da gibt es keine Patentrezepte. Den Passwort-Post löschen geht leider nicht. Ihn zurückrufen wie eine vorschnell verschickte Mail macht alles eher schlimmer, weil dann erst recht alle hinschauen. Die beste Lösung ist vermutlich: Feste fluchen. In Ruhe rot werden. Und zeitnah das Passwort ändern, besser nach der Sitzung.
Was wir uns aber wirklich merken wollen: Passwörter, die möglicherweise das Intimste sind, das wir noch haben in diesem sogenannten «Leben», lassen tief blicken. Weil sie uns zeigen, wie ähnlich wir uns alle sind.
Vorname des Kindes, eigener Jahrgang? Nur so als Anregung: Vielleicht ist eine Runde heiteres Passwort-Raten das bessere Bullshit-Bingo für die nächste Sitzung.