Warum Reporterin und Literaturclub-Gast Margrit Sprecher nicht gerne Bücher verschenkt und ungern zuhause liest: Das verrät sie im Gespräch.
SRF: Gibt es so etwas wie Ihr liebstes Buch?
Margrit Sprecher: Da bin ich wie eine Mutter, die keines ihrer Kinder offen bevorzugen will. Während Jahrzehnten in die Hand genommen habe ich immer wieder – trotz stets neuer Gemütsverfassungen – die Werke von Tucholsky, Marieluise Scherer und Vladimir Nabokov. Die Tapetenmuster in Nabokovs Memoiren «Erinnerung sprich» könnte ich auswendig zeichnen.
Ihr bevorzugter Leseort?
Leider sind alle meine Stühle entweder unbequem oder schlecht beleuchtet, und im Bett schlafe ich gleich ein. Deshalb lese ich am liebsten im Zug.
Lesen Sie mehrere Bücher gleichzeitig oder eins nach dem andern?
Ich stürze mich gierig auf jedes neue Buch, das ins Haus kommt. Danach liegt es zuoberst auf dem Stoss ebenfalls angelesener Bücher, die ich alle unbedingt zu Ende lesen möchte.
Ein Buch, das Ihnen die Liebe zum Lesen eröffnet hat?
Mit acht Jahren war ich süchtig nach den Zürcher «Turnachkindern» von Ida Bindschedler. Ich lebte buchstäblich das ganze Jahr mit ihnen, verglich ihr Leben mit meinem und war wütend auf meine Familie, dass wir kein Sommerhaus am Zürichsee besassen und keinen so coolen Onkel wie den Onkel Hans.
Ein Buch, bei dem Sie laut lachen mussten?
Ich lache lieber laut im Film. Beim Lesen ziehe ich die subtil hinterhältige Ironie eines Somerset Maugham oder Mark Twain vor.
Eine Leseleiche, ein Buch, das Sie einfach niemals beenden?
Was heisst Leseleiche – Leichenberge! Es türmen sich bei mir vor allem die Bücher, die ich auf Empfehlung des sogenannten Hochfeuilletons gekauft habe. Beginn ich dann zu lesen, habe ich das Gefühl, ein ganz anderes Buch gekauft zu haben.
Ein Buch, das Ihr Leben als Reporterin beeinflusst hat?
Truman Capotes «Kaltblütig». Die Frage der Todesstrafe beschäftigte mich derart, dass ich mehrere Monate in Huntsville, der texanischen Hinrichtungshauptstadt, recherchierte. Dort sprach ich mit zum Tode Verurteilten, ihren Familien, Seelsorgern, Gefängnisangestellten und Vollstreckern und beschrieb das Leben und Sterben im Todestrakt. Es dauerte zehn Jahre, bis ich mich endlich wieder neuen Themen zuwandte.
Ein Buch, das Sie Kindern gern vorlesen?
Die Mumin-Bücher von Tove Jansson. Da muss ich freilich präzisieren: Vorlesen geschieht selten. Die meisten Kinder verziehen sich ja gleich mit ihrem vorsorglich mitgebrachten Laptop in eine Ecke.
Ein Buch, das Sie gern verschenken?
Bücher verschenken ist ein bisschen wie Parfum verschenken: mir fast zu persönlich. Am besten fahre ich mit Kochbüchern. Da kann sich jeder selbst die passenden Zutaten zusammensuchen.
Das Gespräch führte Markus Tischer.