Komisch, episch, spannend, leise, wütend: Auf die aktuelle SRF-Bestenliste haben es fünf ganz unterschiedliche Bücher geschafft. Vielleicht findet sich die richtige Weihnachtslektüre für Sie darunter? Hier die im Dezember von der Jury gekürten Lese-Highlights – im Countdown.
5. Joachim Meyerhoff: «Man kann auch in die Höhe fallen» (17 Punkte)
In seinem autobiografischen Buch «Man kann auch in die Höhe fallen» beschreibt Joachim Meyerhoff, wie er sich durch einen Langzeitbesuch bei seiner Mutter aus einer Lebenskrise befreit hat. Die Mutter: 86, muskulös, lebensfroh, selbstbestimmt. Stapelweise hackt sie Holz. Der Sohn: Mitte 50, kraftlos, ausgelaugt vom rauen Leben als Schauspieler in Berlin. Aus diesem Gegensatz zaubert Meyerhoff grosse Komik hervor. Auch in der liebevollen Beschreibung der Mutter-Sohn-Beziehung läuft der Autor zu Hochform auf.
Meyerhoff ist ein begnadeter Schauspieler. Und seine Bücher sind ebenso wie sein Schauspiel: präzise in der Sprache, leicht im Spiel und immer mit funkelndem Witz.
4. Richard Powers: «Das grosse Spiel» (19 Punkte)
Auf der Pazifik-Insel Makatea, auf der jahrzehntelang Rohstoff-Raubbau betrieben wurde, soll nun die Gesellschaft der Zukunft entstehen. Über Umwege finden auf dieser Insel vier Menschen zusammen, deren Lebensläufe Richard Powers in seinem nunmehr 14. Roman «Das grosse Spiel» erzählt. Das besondere Talent des Pulitzer-Preisträgers: naturwissenschaftliche Fakten in Literatur zu übersetzen. Virtuos komponiert er drängende Fragen unserer Zeit zu einem vielschichtigen Epos. Dabei thematisiert er etwa die Künstliche Intelligenz und die Folgen der Klimakrise.
Richard Powers verfolgt die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz bis hin zu ihrer möglichen Machtübernahme. Vor allem aber schwärmt er von den Wundern der Ozeane, so detailliert und enthusiastisch, dass man am liebsten Ozeanograph werden möchte.
3. Thomas Strässle: «Fluchtnovelle» (22 Punkte)
Die Geschichte einer Republikflucht: 1965 verlieben sich ein Student aus der Schweiz und eine Studentin aus der DDR ineinander. Beide sehen keine gemeinsame Zukunft in der DDR, auswandern ist aber nicht erlaubt. Nachdem die beiden erfolglos sämtliche legalen und halblegalen Möglichkeiten abgeklopft haben, entscheiden sie sich für eine waghalsige Aktion.
Der Literaturwissenschaftler und -kritiker Thomas Strässle erzählt in diesem Buch die Geschichte seiner Eltern. Ein Krimi ohne Tote, ohne Action, aber mit Spannung – und mit einem Happy End, denn sonst gäbe es den Autor nicht.
Thomas Strässle vermischt gekonnt Familien- und Zeitgeschichte. Ein fesselndes und berührendes Buch. Absolut lesenswert!
2. Mariann Bühler: «Verschiebung im Gestein» (29 Punkte)
Als Literaturvermittlerin ist Mariann Bühler bereits bekannt. Nun hat sie ihren ersten Roman vorgelegt, der sogar für den Schweizer Buchpreis nominiert wurde. «Verschiebung im Gestein» erzählt von drei Figuren, die alle mit Veränderungen in ihren Leben konfrontiert sind: Todesfälle, Aufbrüche, Enttäuschungen. Was die drei ausserdem verbindet, ist ein entlegenes Bergtal – und dass sie wenig reden und sich lieber mit Nebensächlichkeiten abgeben, als sich ihren Schwierigkeiten zu stellen. Ein gelungenes Debüt, das leise Töne anschlägt, es aber in sich hat.
Mariann Bühlers Debüt ist eine unkitschige Ode an die Langsamkeit auf dem Land.
1. Behzad Karim Khani: «Als wir Schwäne waren» (33 Punkte)
In einer Plattenbausiedlung im Ruhrpott wächst Reza auf, dessen Eltern mit ihm in den 1990er-Jahren aus dem Iran nach Deutschland geflüchtet sind. In den Küchen der Wohnsiedlung gibt es keine Dunstabzüge. In den Fluren riecht es nach Armut, Majoran und Etagenbetten. Auf den Strassen herrscht Gewalt. In «Als wir Schwäne waren» verarbeitet der deutsch-iranische Autor Behzad Karim Khani seine eigene Geschichte: Wütend und poetisch zugleich rechnet er ab mit der sogenannten deutschen Mehrheitsgesellschaft, die Einwanderer unentwegt daran erinnert, dass sie nur Gäste sind.
Zärtlichkeit und Schmerz: Auch in seinem zweiten Roman erweist sich Behzad Karim Khani als genauer Beobachter einer fremden Heimat, die ihrem Protagonisten nichts schenkt. Dennoch findet er einen Weg zur Sprache, den der schweigsame Vater ihm vorzeichnet.