5. Bernhard Schlink: «Das späte Leben» (17 Punkte)
Martin, 76, erfährt, dass er nur noch ein halbes Jahr zu leben hat. Was kann er in dieser Zeit noch tun? Was kann er seinem sechs Jahre alten Sohn hinterlassen? Erinnerungen, Werte, Lebenseinsichten? Martin will sich vom bevorstehenden Tod nicht unterkriegen lassen – und entwickelt eine neue Lebenskraft.
Bernhard Schlink zeigt in einem bewundernswürdig gelassenen Ton, wie es seinem Helden gelingt, loszulassen. Ein Trost für alle Leser, denen das Sterben – wenn auch nicht immer nach Ansage – irgendwann bevorsteht.
4. Nele Pollatschek: «Kleine Probleme» (22 Punkte)
Lars ist ein Grübler. Anstatt Dinge zu erledigen, denkt er nach. Doch am 31. Dezember nimmt sich Lars vor, in den verbleibenden Stunden bis zum Jahreswechsel sämtliche Dinge zu schaffen, die bislang unerledigt geblieben sind: Putzen, Steuererklärung, seine Ehe retten, ein Buch schreiben – aussichtslose Vorhaben, oder?
Dieses Buch ist das, was man ‹gute Unterhaltung mit Tiefgang› nennt.
3. Josephine W. Johnson: «Die Novemberschwestern» (24 Punkte)
In den 1930er-Jahren leben drei Schwestern auf einer Farm in den USA. Wegen der Wirtschaftskrise kämpft die Familie ums Überleben. Dann zieht ein junger Mann ein, der die rigiden Verhältnisse aufbricht. Für ihr Debüt gewann die Autorin Josephine W. Johnson 1935 gerade mal 24-jährig den renommierten Pulitzer-Preis.
Die Natur als Hauptperson bestimmt mit ihrer Schönheit und ihrer Grausamkeit das Leben der Familie Waldemare. Eine Lektüre, die nachhallt.
2. Zeruya Shalev: «Nicht ich» (28 Punkte)
Das Debüt der israelischen Autorin Zeruya Shalevs «Nicht ich» aus dem Jahre 1993 ist der Seelenstriptease einer jungen Frau, die weder treue Ehefrau noch fürsorgliche Mutter sein will. In einem gewagt verworrenen Monolog erzählt die Protagonistin von Begehren, Freiheit, Trennungsschmerz und Verlust.
Shalev ist eine Meisterin darin, alle Windungen der Seele auszuleuchten. Das tut sie auch in ‹Nicht ich›, auf kompromisslos-radikale Weise.»
1. Iris Wolff: «Lichtungen» (29 Punkte)
Die Strassenmalerin Kato und ihr Reisegefährte Lev sind ein Liebespaar. Das war aber nicht immer so. Iris Wolff erzählt von einer zerbrechlichen Liebe im kommunistischen Vielvölkerstaat Rumänien und rollt diese von hinten auf. Ein nachdenkliches Buch über Liebe, Freundschaft, Freiheit und Zugehörigkeit.
Vor dem Hintergrund politischer Umwälzungen in Osteuropa erzählt Iris Wolff in einer klaren, präzisen, bildstarken Sprache von der Kraft fester Bindungen und der Erfahrung von Fremdheit in der Heimat innerhalb einer brüchigen Kulturgesellschaft.