Inu ist vor acht Jahren aus Nigeria geflohen. Vor den bewaffneten Konflikten, die in seinem Land toben. Nachdem er in Italien und später in Frankreich einen Asylantrag gestellt hatte, kam er in die Schweiz. Ohne legalen Status und auf der Strasse lebend, begann er in Genf, mit Drogen zu dealen. «Um zu überleben», wie er sagt.
Der Verkauf von Drogen ermögliche es ihm, «ein bisschen Geld zum Essen zu haben», erklärt er gegenüber dem Westschweizer Fernsehen RTS. Er versteht aber auch die Ängste und die Verärgerung, die bei den Anwohnern angesichts der Strassendealer aufkommen.
Die Aufenthaltsgenehmigung als Ausweg
«Wir sagen uns, dass wir langsam machen müssen, uns bedeckt halten müssen. Das schulden wir den Anwohnern, wir dürfen sie nicht stören.» In seinen Augen ist jedoch auch die hohe Polizeipräsenz auf den Strassen dafür verantwortlich, dass es immer wieder zu Krawallen komme. «Manche Polizisten schlagen dich, nehmen dir alles weg, was du hast. Aber nicht alle Polizisten sind schlecht. Einige haben auch Mitleid mit einem.»
Für Inu gehe der Weg aus dem Drogenhandel über eine Aufenthaltsgenehmigung. Er will in der Schweiz einen Asylantrag stellen, um «aus diesem Schlamassel» herauszukommen. Da er keinen legalen Status habe, sei er ein «Gefangener».
Ein System, um die Leute abzuholen
In Lausanne trifft RTS Mike. Mike ist ein Konsument, der sich jedoch weigere, zu stehlen, zu betteln oder sich zu prostituieren. An das Geld für seine Drogen komme er, weil er andere Kunden an Dealer vermittle. Die Dealer geben ihm dafür Geld – oder Drogen. «So schaffe ich es, den ganzen Tag zu konsumieren», erklärt er RTS.
Wie Inu versteht Mike den Ärger der Bevölkerung über die offene Drogenszene. «Ein guter Dealer ist jemand, der es vermeidet, dies unterhalb einer Wohnung oder vor Kindern zu tun.»
Ist die Situation im Kanton Waadt ausser Kontrolle?
Auch in anderen Städten der Westschweiz wie Vevey, Lausanne oder Yverdon sind die Dealer allgegenwärtig und die Drogenabhängigen im öffentlichen Raum immer sichtbarer. Das Unsicherheitsgefühl in der Bevölkerung nimmt zu.
Die drei Waadtländer Gemeinden schlugen in einem Brief an den Staatsrat Alarm und wiesen auf eine unhaltbare Situation und ein stillstehendes Repressionssystem hin. Daraufhin setzte die Waadtländer Regierung eine Taskforce gegen den Strassenhandel ein, die unter anderem mehr Präsenz in den Strassen vorsieht.
Die Problematik weitet sich jedoch weiter aus. Politiker fordern nun den Bundesrat auf, Massnahmen zu ergreifen, um den Drogenhandel in den Stadtzentren einzudämmen.