Schreien im Wald; weinen vor Fremden; Stärke finden und Schwäche zeigen. Männercoaches wie Mario Meier und Arsim Muslija erleben starken Andrang für ihre Workshops. Viele Männer wüssten nicht mehr, wie sie Mann sein können, in einer Zeit, in der alte Rollenbilder hinterfragt würden.
Es kommen Landwirte, Handwerker und Unternehmer. Die Frage «Was bedeutet Männlichkeit?» treibe sie um. Das zeigt die Diskussion im «Club», wo Moderator Peter Düggeli diese Frage in die Runde wirft.
«Ein Mensch im Wandel», sagt Mario Meier. «Ein mutiger Mensch, der Risiko eingeht und vorwärts geht», antwortet Arsim Muslija. «Ich fühle mich sehr männlich», sagt der Zürcher Ständerat Daniel Jositsch.
«Selbstverständlich wasche ich auch ab, wechselte Windeln und koche», so Jositsch. In der Generation vor ihm verstanden Männer das anders. Für ihn sei das normal. «Mein Sohn sieht es anders als ich und ich anders als mein Vater.»
Josua Meyer trägt zur Schau, was er als typisch männlich sieht. Der ehemalige Wrestler tritt als Wikinger in Filmen auf. «Für mich ist es das A und O, dass ein Mann wie ein Fels in der Brandung steht.»
Nicht weniger männlich fühlt sich Oberstufenlehrer und Dragqueen Michel von Känel: «Männlichkeit definiert sich für mich nicht über die Abwesenheit der Weiblichkeit.»
Als Mann verletzt
Heute fühlt sich von Känel in seiner Männlichkeit sicher. Das sei nicht immer so gewesen. «Oft waren es die stereotypischen Männer, die das Privileg in der Gesellschaft haben, diesem Bild zu entsprechen. Sie versuchten, mich in meiner Männlichkeit schlecht zu machen, indem sie mir auf der Strasse blöd nachrufen.» Heute verletzte ihn das nicht mehr so, aber es sei ein langer Prozess gewesen, erzählt von Känel.
Für den Psychologen Markus Theunert war das Vaterwerden ein Moment grosser Verletzlichkeit, weil er merkte, dass die Liebe zu seiner Tochter grösser war als er selbst. «Und dass ich nicht mehr über mein Leben verfügen kann, weil ich Verantwortung nicht nur denke, sondern fühle.»
Als Mann verletzt zu werden, kennt auch Josua Meyer. Vor vier Jahren ist sein Lebenstraum geplatzt, in den USA als professioneller Wrestler aufzutreten. Er hatte sich beim Training die Schulter verletzt. Das war für Meyer eine Lebenskrise. «Als Wrestler ist man das stereotypische Bild eines Mannes: gross und breit. Ich habe so viel Ansehen in dieser Welt erfahren. Das wurde mir auf einen Schlag genommen.»
Fehlende Orientierung
In solchen Krisenmomenten frage man sich, wer man als Mann sei, sagt Arsim Muslija. «Vorher wischt man es beiseite oder belächelt es». Auch er habe solche Krisen erlebt und musste wegen einer Depression in die Klinik.
Dass heute viele Männer verunsichert seien, liege daran, dass Männlichkeit nicht diskutiert werden dürfe, sagt Markus Theunert: «Männlichkeit muss unsichtbar bleiben. Das ist der uralte Trick des Patriarchats. Wir reiten den Planeten in den Abgrund aufgrund von Männlichkeitsvorstellungen, welche das Prinzip Ausbeutung zur alternativlosen Normalität erklären.»
Man müsse am Thema Männlichkeit arbeiten, mit flächendeckenden pädagogischen Angeboten für Jungs, Männer und Väter, um Gegensteuer zu geben. Aber es sei immer noch zu wenig bewusst, dass es hier ein Problem gebe.
«Ich glaube, wir arbeiten daran», meint Daniel Jositsch. «Es ist nicht so, dass wir in unseren Ansichten stehen bleiben.» Aber es sei ein Prozess, der in der Gesellschaft passiere.